Archiv der Kategorie: Revision

StPO: Vertretungsvollmacht darf pauschal formuliert sein

Die Klausel in einer normalen Strafprozessvollmacht, dass der Verteidiger ermächtigt ist, den Angeklagten auch in dessen Abwesenheit in allen Instanzen zu vertreten, genügt den Anforderungen des § 329 StPO.

Der Zweck der Norm, die unter anderem das Verfahren beschleunigen soll, indem es dem Angeklagten die Möglichkeit einräumt, sich vertreten zu lassen, rechtfertigt nicht, höhere Anforderungen an die Vollmacht zu stellen.

(BGH Beschluss vom 24.01.2023 – 3 StR 386/21)

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Revision: Aufhebung des rechtsfehlerfreien Schuldspruchs bei Verständigung

Hat eine zuungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft allein zum Strafausspruch Erfolg, gebietet der Grundsatz des fairen Verfahrens auch den Schuldspruch mit den dazugehörigen Feststellungen aufzuheben, wenn den Feststellungen ein Geständnis im Rahmen einer Verständigung nach § 257c StPO zugrunde liegt (BGH, Urt. v. 23.11.2022 – 5 StR 347/22).

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BGH: straffreies Vorleben vs. Gesinnung

Ein Widerspruch zwischen einer Wertung, der Angeklagte weise eine „komplexe Disposition zum Normbruch auf” und seinem bisher straffreien Vorleben, muss das Landgericht aufklären. Ansonsten kann eine rechtsradikale Gesinnung bei einem Betäubungsmittelverstoß nicht strafschärfend berücksichtigt werden (BGH Beschluss 7. Februar 2023 – 6 StR 9/23).

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BGH: Fahren ohne Zulassung ist keine Steuerhinterziehung

Eine bloß aus einer Verordnung stammende Pflicht reicht nicht aus, um der Blankettstrafnorm des § 370 AO als Grundlage zu dienen. Art. 103 Abs. 2 GG verlange, dass die Strafbarkeit eines Verhaltens vorhersehbar sein müsse. Verordnungen dürfen Umstände allenfalls konkretisieren (BGH, Beschluss vom 15.12.2022 – 1 StR 295/22).

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BGH: Ohne Besitzwillen kein Besitz

Wer selbst kei­nen Wil­len hat, Dro­gen zu be­sit­zen, macht sich selbst dann nicht des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln strafbar, wenn die Be­täu­bungs­mit­tel in der ei­ge­nen Woh­nung la­gern. Auch eine Beihilfe kann ausgeschlossen werden.

BGH Urteil vom 8. Dezember 2022 – 5 StR 351/22

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BGH: Beweiswürdigung fehlerhaft (Bunte Blüte)

Mit den Einlassungen der Angeklagten muss sich das Gericht in den Urteilsgründen auseinandersetzen. Eine bloße Wiedergabe derer genügt nicht.

Auch bei einem Freispruch müssen Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen der Angeklagten getroffen werden, um den Vorsatz im Hinblick auf das vorgeworfenen Geschehen auszuschließen.

Bundesgerichtshof Urteil vom 16. Januar 2023 – 5 StR 269/22

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Transparenzerklärung = Verständigung ohne Belehrung

So­bald ein Straf­ge­richt einen Vor­schlag zur Be­en­di­gung eines Pro­zes­ses macht, wo­nach der An­ge­klag­te bei einem be­stimm­ten pro­zes­sua­len Ver­hal­ten (meist Ge­ständ­nis) eine Stra­fe im ge­ge­be­nen Rah­men er­war­ten dürfe, liegt ein Ver­stän­di­gungs­vor­schlag vor.

Es ist egal, ob das Gericht der Verständigung oder den Gesprächen hierzu einen anderen Namen gibt und ob der Angeklagte dieser Mitteilung über Strafrahmen ausdrücklich zugestimmt hat.

BGH, Beschluss vom 23.09.2021 – 1 StR 43/21

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BGH: Wiedereinsetzung – Kenntnis des Angeklagten entscheidet

Es fehlt an der Zulässigkeit eines Wiedereinsetzungsantrages, wenn die Antragsbegründung nicht mitteilt, wann das Hindernis beim Angeklagten weggefallen ist. Auf dessen Kenntnisnahme und nicht auf die beim Verteidiger kommt es an (Beschluss BGH 12. Oktober 2022 – 4 StR 319/22).

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Richter kennt nicht den Unterschied zwischen Tatsachenfeststellung und Strafzumessung?

Die Aufrechterhaltung der Feststellungen durch eine Entscheidung der Revisionsinstanz erstreckt sich allein auf die der Strafzumessung im ersten Urteil zu Grunde gelegten Tatsachen. Die Wertungsentscheidung, ob die betreffende Tat als minder schwerer Fall einzustufen ist, ist im neuen Rechtsgang auf der Basis der Feststellungen des früheren Urteils eigenständig neu zu treffen (BGH Beschluss 26. Juli 2022 – 3 StR 126/22).

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“Die drei von der Parkbank”

Die Revision einer Angeklagten von “Die Drei von der Parkbank” hatte mit einer Verfahrensrüge Erfolg, soweit das Landgericht Hamburg für sie eine Strafaussetzung zur Bewährung abgelehnt hat. Denn hierbei hat es Verhalten der Angeklagten außerhalb der Hauptverhandlung herangezogen, das nicht prozessordnungsgemäß in die Beweisaufnahme eingeführt worden war (Beschluss vom 11. Mai 2022 – 5 StR 306/21).

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„Eine Lektion zu erteilen“ könnte ein niedriger Beweggrund sein

Der in Leipzig ansässige 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat auf die Revision einer Nebenklägerin das Urteil des Landgerichts Berlin wegen eines tödlichen Messerstichs gegen einen 13-jährigen Jungen im Monbijoupark aufgehoben, soweit eine Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes unterblieben ist. Der Umstand, dass der Angeklagte das Kind tötete, um ihm eine Lektion zu erteilen, und seine Äußerung gegenüber seiner Begleiterin hätten bei der Erörterung des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe einbezogen werden und Anlass für eine nähere Prüfung sein müssen (Urteil vom 30. März 2022 – 5 StR 358/21).

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Mehrere Revisionen und eine ist beschränkt

Es kann dahinstehen, ob der Auffassung zu folgen ist, dass von den Revisionen mehrerer Verteidiger diejenige maßgebend sei, die am weitesten geht. Das kann jedenfalls nur dann gelten, wenn nicht die weniger weitgehende Revision als Beschränkung des Rechtsmittels insgesamt anzusehen ist. OLG Hamm, Beschl. v. 06.09.2021 – 4 RVs 85/21

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5. Senat: Encro-Chat Daten sind verwertbar

Auch der 5. Senat des Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die von Frankreich übermittelten Daten des Anbieters EncroChat als Beweismittel verwertbar sind, wenn sie wie im vorliegenden Fall der Aufklärung schwerer Straftaten dienen (Beschluss vom 2. März 2022 – 5 StR 457/21).

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Encro-Chat: Was ist da eigentlich los?

Viele verstehen gar nicht, warum die Strafverteidiger so einen Hype um die Verwertung von Encro-Daten machen. Die Einen sagen, dass es doch richtig sei, dass Kriminelle mit allen Mitteln und Wegen verfolgt und abgeurteilt werden. Die Anderen hingegen verweisen auf den Rechtsstaat. Doch worum gehts eigentlich genau? Wie die Sachlage (nicht die Rechtslage) aussieht, will ich diesem Beitrag kurz erklären. Gut, am Schluss geb ich ein Statement ab. 😉

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6. Senat: Encro-Chat Daten sind verwertbar

Der 6. Senat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat nun in einem vom Kollegen RA Stehr, RA Dr. Strate und mir verteidigtem Encro-Chat Verfahren sich zur Verwertbarkeit der in unseren Augen absolut rechtsstaatswidrig erlangten Daten eine Entscheidung getroffen. Ist das aber auch eine richtungsweisende Entscheidung? Kurz etwas zum Beschluss vom 08.02.2022 – 6 StR 639/21.

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