Gestattet ein Zeuge trotz Ausübung seines Zeugnisverweigerungsrechts aus § 52 Abs. 1 StPO die Verwertung früherer Aussagen, so kann er dies nicht auf einzelne Vernehmungen beschränken. Ein Teilverzicht führt vielmehr dazu, dass sämtliche früheren Angaben – mit Ausnahme richterlicher Vernehmungen nach Belehrung über das Zeugnisverweigerungsrecht – unverwertbar sind.
(BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2023 – 1 StR 222/23)
Sachverhalt
Der Angeklagte war am 30. Januar 2023 vom Landgericht Konstanz (2 KLs 27 Js 12016/22 jug) unter anderem wegen fünffacher Vergewaltigung zu einer Einheitsjugendstrafe von viereinhalb Jahren verurteilt worden. Das Urteil stützte sich auch auf die Aussage seiner Schwester. Diese habe zwar zwar im Prozess von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht, es dem Gericht jedoch gestattet, davon hinsichtlich ihrer Angaben gegenüber der aussagepsychologischen Gutachterin abzusehen.
Die Jugendkammer verwertete daraufhin ihre Aussage gegenüber dem Ermittlungsrichter sowie die gegenüber der Sachverständigen. Dagegen wandte sich der Mann mit seiner Revision.
Die Entscheidung
Eine Zeugin, die ihr Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 Abs. 1 StPO in der Hauptverhandlung wahrnimmt, kann zwar erlauben, dass entgegen § 252 StPO ihre vorherigen Aussagen in die Hauptverhandlung eingeführt und verwertet werden. Dabei kann sie sich dem 1. Strafsenat zufolge aber nicht auf einzelne Vernehmungen beschränken. Tue sie es dennoch, seien alle vorherigen Aussagen unverwertbar.
Das Zeugnisverweigerungsrecht diene dem Schutz von Zeugen, sie sollten nicht gezwungen werden, einen Angehörigen zu belasten.
Ein Zeuge kann aber auf die Sperrwirkung hinsichtlich seiner vorherigen Aussagen verzichten, also Angaben aus früheren Vernehmungen doch für verwertbar erklären. Die Beweise müssten dann zwar vorsichtig gewürdigt werden, denn so ein Zeuge entzöge sich so der konfrontativen Befragung in der Hauptverhandlung.
Teilweise aber will der Senat das Beweisverwertungsverbot nach § 252 StPO nicht gelten lassen. Die Zeugin kann den Karlsruher Richterinnen und Richtern zufolge nur darüber entscheiden, ob sie sich als Beweismittel zur Verfügung stellt oder nicht.
Über den Umfang der Verwertung ihrer vorherigen Aussagen aber entscheide sie nicht. Sie habe darin kein schützenswertes Interesse.
Meinung und Schluss
Die Entscheidung ist korrekt und man glaub es nicht, wie oft doch Gerichte das Zeugnisverweigerungsrecht umgehen. Bewusst oder unbewusst, aber sie umgehen es. Hier hat ein Richter doch konsequent die Entscheidung des Zeugen durch Entlassung aus dem Zeugenstand umzusetzen und ihn im wahrsten Sinne schnell „rauszujagen“. Das gebietet auch die Fürsorge des Gerichts. Denn so mancher Familienangehöriger neigt, dazu unbedingt irgendwas sagen zu wollen. Das kann dann zu einer Falschaussage führen. Hatte ich auch schon verhandeln müssen. Manchmal frage ich mich, was Angehörige an einem kompletten Schweigerrecht nicht verstehen und nicht schätzen.
Der BGH, der erstmalig über den Teilverzicht entschieden hat, will Zeugen keinen so großen Einfluss auf das Verfahren einräumen.
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