Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) können heimlich von der US-Bundespolizei FBI aufgezeichnete Nachrichten aus der Anom-App uneingeschränkt als Beweismittel in deutschen Strafverfahren verwendet werden, wenn sie der Aufklärung schwerer Straftaten dienen (BGH, Urteil vom 09.01.2025 – 1 StR 54/24).
Einleitung
Kryptohandys, organisierte Kriminalität und das FBI: Was wie ein Thriller klingt, ist ein Erfolg internationaler Ermittlungen. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass von der US-Bundespolizei aufgezeichnete AnomChat-Daten in deutschen Strafverfahren verwertbar sind. Damit wird eine wichtige rechtliche Frage höchstrichterlich geklärt, die zahlreiche weitere Verfahren betreffen wird.
Sachverhalt
Der Fall betraf einen Angeklagten, den das Landgericht Tübingen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 35 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt hatte. In neun dieser Fälle bildeten Nachrichten aus der Anom-App die zentralen Beweise. Die App war von der US-Bundespolizei FBI speziell entwickelt und an kriminelle Organisationen verteilt worden, um verschlüsselte Kommunikation zu entschlüsseln und die Nutzer zu überwachen.
Die gewonnenen Daten wurden über einen Server in einem EU-Staat verarbeitet und durch ein Rechtshilfeersuchen an das Bundeskriminalamt (BKA) weitergeleitet. Das BKA identifizierte mehrere hundert Verdächtige und leitete knapp 300 Ermittlungsverfahren ein. Der Angeklagte hatte in seiner Revision eingewandt, dass diese Daten nicht hätten verwertet werden dürfen.
Entscheidung
Der Bundesgerichtshof sah dies anders und entschied, dass die Daten verwertbar seien. Nach § 261 StPO können auch im Wege der Rechtshilfe erlangte Beweise im Strafprozess verwendet werden. Die verfassungsmäßige Grundlage für die Verwertung von Beweisen sei gegeben. Ein Beweisverwertungsverbot bestehe nicht, da die Maßnahmen des FBI nicht gegen menschenrechtliche Grundwerte oder grundlegende Rechtsstaatsanforderungen verstoßen.
Das Gericht betonte:
- Die Ermittlungsmaßnahmen richteten sich ausschließlich gegen Personen, die im Verdacht standen, schwere Straftaten im Bereich der organisierten Kriminalität zu begehen.
- Bereits der Erwerb eines Anom-Handys begründete Verdacht, da diese Geräte gezielt für kriminelle Zwecke konzipiert wurden („designed by criminals for criminals“).
- Die Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis seien zeitlich und sachlich begrenzt gewesen.
Das Urteil hebt hervor, dass ausländische Ermittlungsmaßnahmen nicht am Maßstab deutschen Rechts zu prüfen seien. Entscheidend sei allein, ob sie gegen deutsches Recht verstoßen.
Meinung und Schluss
Als Verteidiger stehe ich auf der Seite des Rechtsstaats und schütze seine Prinzipien – doch eine unkritische Begeisterung für Ermittlungsbehörden ist nicht angebracht. Das Urteil des BGH schafft zwar Klarheit, doch es ist auch ein Beispiel für die Gratwanderung zwischen effizienter Strafverfolgung und dem Schutz persönlicher Freiheiten.
Hier zeigt sich: Nur weil ein Kryptohandy als „von Kriminellen für Kriminelle“ vermarktet wird, bedeutet das nicht, dass man blind jede Maßnahme rechtfertigen kann. Der Rechtsstaat darf nicht alles entschlüsseln – vor allem nicht seine eigenen Werte.
Was bleibt? Wer im Chatfenster mit illegalen Geschäften prahlt, sollte sicherstellen, dass sein Publikum nicht die Staatsanwaltschaft ist. Lächelnde Ermittler können ebenso entschlüsseln wie Kryptotechnologie.
Wie kann etwas „von Kriminellen für Kriminelle“ eingestuft werden, wenn die APP aber vom FBI erstellt wurde, heißt das im Umkehrschluss das FBI sei eine kriminelle Vereinigung?
Im Grunde hat das FBI doch hier kriminelle Handlungen erst ermöglicht.
Das FBI gab den Kriminellen eine vermeintlich sichere Plattform, wo diese, “ohne” Angst vor Überwachung, Absprachen treffen konnten. Hätte es die Verbrechen in dieser Form gegeben, wenn die vermeintlichen “Verbrecher” keine sichere Plattform für Absprachen gehabt hätten.
Aber ein Agent Provokateur würde ich da nicht sehen. Die kriminellen Strukturen gab es ja schon und die kommunizierten vorher anders. Später eben mit und durch das FBI 😉