Gibt ein Rechtsanwalt einen an seinen in U-Haft befindlichen Mandanten gerichteten Brief des Hauptbelastungszeugen, der für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen von Bedeutung ist, im Rahmen seiner Tätigkeit als Verteidiger an den Gefangenen weiter, handelt er nicht unbefugt i.S.d. § 115 OWiG. (OLG Karlsruhe Beschluss vom 3.2.14 – 2 (6) SsBs 628/13 – AK 166/13).
Wie oft wird man im Rahmen seiner Tätigkeit von Mandanten gebeten, einen Brief an Verwandte aus der Haft herauszuschmuggeln. Manchmal werden diese sogenannten Cassiber auch in der Verteidigerpost, die nicht kontrolliert werden darf, einfach dem Verteidiger zugesandt, mit der Bitte um Weitergabe an den wirklichen Adressaten. Hierzu kann man nur abraten, wenn dies nichts mit der Verteidigertätigkeit zu tun hat.
Tipp an dieser Stelle: Ich archiviere diese Briefe immer in der Akte. Denn zurückschicken kann ich die mit der Verteidigerpost auch nicht. Könnte ein neuer Cassiber ja sein. 😉 Ich sage es aber meinen Mandanten immer, dass ich diesen Brief nicht weitergeleitet haben. Liebesgrüße können sie auch so schicken oder mir ausrichten und ich richte es dem Adressaten aus.
Weiter hier aber zum entscheidungserheblichen Sachverhalt: Der Mandant war inhaftiert wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung. Der Verteidiger erhielt einen Brief des angeblichen Opfers, den er dem Mandanten in Kopie überreichte. Inhalt war nicht die Vergewaltigung an sich. Er hatte aber positive Äußerungen über die Person des Beschuldigten zum Inhalt. Dies wurde mit einem Bußgeldbescheid gegen den Verteidiger “belohnt”. Dagegen legte der Verteidiger Eispruch ein. Er wurde freigesprochen. Die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft blieb erfolglos.
Zur Entscheidung: Das Handeln des Verteidigers war von § 148 Abs. 1 StPO gedeckt. Schriftlicher und mündlicher Verkehr mit dem Gefangenen ist gestattet. Dies ist unabdingbare Voraussetzung einer wirksamen Strafverteidigung. Der Verteidiger ist vor jeder Behinderung oder Erschwerung der Verteidigung zu bewahren. Als Organ der Rechtspflege ist er von jeder Beschränkung enthoben. Wenn der Verkehr mit dem Gefangenen unmittelbar der Vorbereitung oder Durchführung der Verteidigung dient, dann besteht für ihn dieses Privileg. Das umfasst daher auch Schriftstücke, die unmittelbar das Strafverfahren betreffen. Im vorliegenden Fall hatten die Äußerungen zur Person des Beschuldigten unmittelbare Bedeutung für die Glaubwürdigkeit der Hauptbelastungszeugin (des angeblichen Opfers). Das hat selbstverständlich Bedeutung für das Strafverfahren und den Tatvorwurf.