Die Gerechtigkeitsvorstellung eines Richters interessiert nicht

 

BGHDer Bundesgerichtshof hat noch einmal klargestellt, dass die Gerechtigkeitsvorstellung eines Richters im Strafverfahren nicht interessiert. Sprich: Er hat nach Recht und Gesetz zu handeln. Das sollte doch jedem einleuchten. Doch was ist das hier für ein besonderer Fall der Rechtsbeugung. Manche jubelten über den Richter, der nunmehr vielleicht doch Schlimmes zu erwarten hat.

 

Der Bundesgerichtshof führt aus (Quelle: BGH Entscheidung vom 22. Januar 2014 – 2 StR 479/13):

 

„[…] Allein der Wunsch oder die Vorstellung des Richters, “gerecht” zu handeln oder “das Richtige” zu tun, schließen eine Rechtsbeugung daher nicht aus (vgl. BGH, Urteil vom 23. Mai 1984 – 3 StR 102/84, BGHSt 32, 357, 361; Fischer, StGB, 61. Aufl. § 339 Rn. 11d, 17; Matt/Renzikowski/Sinner, StGB, 2013, § 339 Rn. 30; SK/Stein/Rudolphi, StGB, 2011, § 339 Rn. 19a). Jedenfalls bei der fehlerhaften Anwendung oder Nichtanwendung zwingenden Rechts ist es nicht erforderlich, dass der Richter entgegen seiner eigenen Überzeugung oder aus sachfremden Erwägungen handelt (zu Fällen einer Ermessensentscheidung vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 1998 – 1 StR 240/98, BGHSt 44, 258, 260). Verschließt er sich, obgleich er die Unvertretbarkeit seiner Ansicht erkennt oder für möglich hält, der Erkenntnis des rechtlich Gebotenen, so unter-liegt er einem unbeachtlichen Subsumtionsirrtum, wenn er gleichwohl sein Handeln für “gerecht” hält, etwa weil er die gesetzliche Regelung selbst ablehnt oder ihre Anwendung im konkreten Fall für überflüssig hält (vgl. Schön-ke/Schröder/Heine, StGB, 28. Aufl. § 339 Rn. 8; MünchKomm/Uebele, aaO § 339 Rn. 65; Seebode, Das Verbrechen der Rechtsbeugung, 1969, S. 106).

 

Soweit die Strafkammer hervorgehoben hat, der Angeklagte sei zwar einer kaum nachvollziehbaren Rechtsauffassung gefolgt, habe aber nicht gegen seine eigene Überzeugung entschieden, ist dies für das Vorliegen des Rechtsbeugungsvorsatzes aus den oben genannten Gründen grundsätzlich unerheblich, denn auf die “Überzeugung” kommt es nur im Hinblick auf die Rechtsfehlerfreiheit an. Ein Richter, der die Unvertretbarkeit seiner Entscheidung kennt oder billigend in Kauf nimmt, kann nicht zugleich “überzeugt” von ihrer Richtigkeit sein, sondern allenfalls von den Gründen, aus denen er das rechtlich Gebotene nicht tut. Die Sachwidrigkeit dieser Motive kann zwar ein gravierendes Indiz für das Vorliegen des Tatvorsatzes sein; dieser kann aber auch bei Anknüp-fen an grundsätzlich sachbezogene Motive (etwa “Gerechtigkeit”) gegeben sein.

Im Hinblick auf die seine früheren freisprechenden Beschlüsse aufhebenden Entscheidungen des Oberlandesgerichts, die Offenkundigkeit seiner Rechtsfehler und die Ankündigungen des Angeklagten gegenüber der Bußgeldbehörde, es sei “mit anderen Entscheidungen zu rechnen” – er werde also anders als bisher entscheiden -, wenn seinen Wünschen nicht Rechnung getragen werde, lag hier die Annahme nahe, dass der Angeklagte die Unvertretbarkeit seiner Rechtsansicht zumindest billigend in Kauf genommen und dass er seine fehlerhaften Entscheidungen nach entsprechender Ankündigung zur “Disziplinierung” der Bußgeldbehörde eingesetzt hat. Dies wird im angefochtenen Urteil nicht ausreichend erörtert, so dass dem Revisionsgericht die Prüfung nicht möglich ist, ob das Landgericht insoweit rechtsfehlerfrei vorgegangen ist. Dazu hätte es auch der Mitteilung von Einzelheiten der Entscheidungsgründe der freisprechenden Beschlüsse des Angeklagten und derjenigen des Rechtsbeschwerdegerichts bedurft, gegebenenfalls auch der Mitteilung von Äußerungen des Angeklagten, mit denen er seine Entscheidungspraxis im Kollegenkreis erläuterte. […]“

 

 

Sachverhalt: Das Landgericht Erfurt einen Richter am Amtsgericht vom Vorwurf der Rechtsbeugung nach § 339 StGB freigesprochen. Dieser hatte zunächst in etlichen Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten die Betroffenen freigesprochen. Von der Straßenverkehrsbehörde waren in allen Fällen weder ein Messprotokoll noch der Eichschein für das bei der Verkehrskontrolle verwandte Messgerät zur Akte genommen worden. Der Richter nahm an, deshalb liege ein Verfahrensfehler im Verantwortungsbereich der Behörde vor. Dies führte nach seiner Ansicht dann dazu, dass das Messergebnis für das Gericht nicht nachprüfbar sei. Das Thüringer Oberlandesgericht hob mehrere solcher Entscheidungen wegen Verletzung der Aufklärungspflicht des Gerichts auf. Die vermissten Unterlagen wurde in der Wiederholung nicht beigezogen und der Richter sprach wieder frei. Sodann wurde der Richter wegen Rechtsbeugung strafrechtlich verfolgt und angeklagt. Das Landgericht Erfurt wertete dies als Rechtsbeugung. Objektiv sei der Tatbestand erfüllt, jedoch ist es nicht feststellbar, dass der „Angeklagte von der Richtigkeit seiner fehlerhaften Ansicht überzeugt gewesen sei.“. Dieses Urteil hob nun der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung aus Januar 2014 auf und verwies zurück an das Landgericht zur neuen Entscheidung.

 

Rechtlich: Für den subjektiven Tatbestand der Rechtsbeugung nach § 339 StGB wird mindestens bedingter Vorsatz verlangt. Dieser muss sich auf den Verstoß gegen geltendes Recht, aber auch auf die Bevorzugung oder Benachteiligung einer Partei beziehen. Die bewusste Abkehr von Recht und Gesetz bezieht sich dagegen auf die Schwere des Verstoßes. Die persönlichen Vorstellungen eines Richters von Gerechtigkeit sind uninteressant.

 

 

Es bleibt abzuwarten, wie das Landgericht Erfurt nunmehr entscheidet. Für viele Kraftfahrer ist der Richter ein Held, denn nicht selten sind die Radarmessungen an Stellen, an denen keine Gefährdung von Menschen besteht. Sie dienen dann einfach nur noch der „Abzocke“ für den Haushalt. Aber wir haben nun einmal auch Recht und Gesetz. Und daran muss sich ein Richter halten, ob es ihm passt oder nicht. So mancher Richter sollte sich dieses Urteil genau durchlesen. Ich habe auch schon mal den Eindruck, dass mancher Mandant nur aus „Gerechtigkeitserwägungen“ des Richters verurteilt wurde …. und nicht nach Recht und Gesetz.

 

Thomas Penneke

Strafverteidiger Rostock

 

 

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