Amtsgericht Wismar mag keine Pflichtverteidiger

PflichtverteidigungDas Amtsgericht Wismar scheint keine Pflichtverteidiger zu mögen, wenn es eine Straferwartung von einem Jahr sieht. Anders ist der Beschluss nicht auszulegen, der  bei mir auf dem Tisch landete. „Der Antrag des Angeklagten C., ihm Rechtsanwalt Penneke als Pflichtverteidiger zu bestellen, wird als unbegründet zurückgewiesen.“ (Beschluss AG Wismar vom 11. April 2014 – 4 Ds 81/14).

Schauderhaft, dass Richter, die wie Strafverteidiger Jura studiert haben, immer noch denken, dass sich der Angeklagte auch allein verteidigen kann.

Sachverhalt: Der Angeklagte wird beschuldigt fünf Körperverletzungen in einem engen Zeitabschnitt an einem Tatort im Zustand der verminderten Schuldfähigkeit begangen zu haben. Zurzeit steht der Angeklagte noch unter Bewährung (9 Monate Freiheitsstrafe offen), was dem Gericht sehr wohl bekannt ist.  Der Angeklagte ist einschlägig vorbestraft.

Gründe: „Soweit der Angeklagte die Beiordnung eines Pflichtverteidigers beantragt hat, ist ein Fall der notwendigen Verteidigung im Sinne des § 140 Abs. 1 StPO nicht gegeben. Das Gericht vermag auch die Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 StPO nicht zu bejahen. Weder die Schwere der Tat noch die Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage lassen die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheinen. Die Schwere der Tat beurteilt sich in erster Linie nach der zu erwartenden Rechtsfolgenentscheidung. Bei einer Straferwartung ab einem Jahr Freiheitsstrafe bejaht die Rechtsprechung der Obergerichte die Schwere der Tat zumindest dann, wenn die Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt werden wird. In die bei der Beurteilung der Schwere der Tat gebotene Gesamtwürdigung sind dem Angeklagten infolge der Verurteilung entstehende oder drohende mittelbare Nachteile einzubeziehen, insbesondere der drohende Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung. Im Übrigen bedeutet selbst eine Straferwartung von einem Jahr nicht eine starre Grenze. Ob ein Verteidiger zu bestellen ist, hängt vielmehr auch von der Verteidigungsfähigkeit des Angeklagten, seiner Persönlichkeit und den Umständen des Einzelfalls ab. Die Sach- und Rechtslage ist vorliegend leicht zu überschauen und entsprechend einzustufen. Zudem ist nicht ersichtlich, dass dem Angeklagten überraschende Maßnahmen oder Entscheidungen des Gerichts drohen. Schließlich sind auch keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass der Angeklagte sich selbst nicht ordnungsgemäß und sinnvoll verteidigen könnte.“

Howgh! Ich habe gesprochen.

Der Angeklagte hat nichts zu befürchten. Außerdem kann er sich selbst verteidigen. Strafverteidiger sind im deutschen Strafverfahren überflüssig.

Hier macht es sich der Richter wieder einfach. Mit dem Blick auf die Landeskasse wird der Angeklagte hier zur Person vor dem Richter, der wie er sich mit der Strafprozessordnung auskennt und geduldig sich nach Gutdünken von dem Richter verurteilen lässt. Mähmäh! Wie ein Schaf soll der Angeklagte seiner Schlachtung entgegensehen.  Ich wette, dass ein Haus- und Hofabnicker den Zuschlag dennoch bekommen hätte. Die Beschwerde läuft.

Liebe Richter, die Angeklagten haben keine Ahnung von Recht und Gesetz, deswegen sitzen sie auch meist vor Ihnen auf der Anklagebank. Ihnen wird vorgeworfen, dass sie das Gesetz gebrochen haben und gleichzeitig wird ihnen unterstellt, dass sie das Gesetz kennen, die zu ihrer Verurteilung führen soll. Das riecht immer noch danach, dass Sie gerecht handeln wollen. Doch hierzu hat der Bundesgerichtshof schon eine wichtige Entscheidung getroffen.

 

Thomas Penneke

4 Gedanken zu „Amtsgericht Wismar mag keine Pflichtverteidiger“

  1. Tja, DirAG M. oder RiAG B.? Wahrscheinlich ersterer. Dass bei über 50 Anwälten in Wismar aber ohnehin nur eine Handvoll Urteilsbegleiter Kollegen überhaupt mit Pflichtverteidigungen beglückt wird (das aber gerne auch, ohne den Delinquenten vorher zu befragen), sei nur am Rande erwähnt.

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