Nötigung durch Drohung mit einer Strafanzeige

Penneke 32

Es ist verwerflich, dass juristische Laien durch Behauptungen und Androhungen, die ein Rechtsanwalt ausspricht, zur Erfüllung von Ansprüchen veranlasst werden sollen – selbst wenn der Rechtsanwalt nicht konkret gewusst habe, dass die von ihm eingetriebenen Forderungen zivilrechtlich gar nicht gerechtfertigt sind. Dies sah der Bundesgerichtshof (Beschluss vom 5. September 2013, 1 StR 162/13) eben mit den Grundsätzen des geordneten Zusammenlebens unvereinbar.

Der Sachverhalt ist jedoch entscheidend, um diese Entscheidung des Bundesgerichtshof zu werten.

 

Sachverhalt (entnommen aus der PM BGH 200/2013): Das Landgericht Essen hatte seinerzeit den Angeklagten, einen Volljuristen, u.a. wegen versuchter Nötigung in zwei Fällen zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Gegenstand des Verfahrens sind anwaltliche Mahnschreiben an die Kunden von sog. Gewinnspieleintragungsdiensten. Diesen war über Callcenter angeboten worden, sie gegen einen Teilnehmerbeitrag in Gewinnspiele einzutragen. Dies geschah aber nicht. Nachdem es bei Einzug der Teilnehmerbeträge mittels Lastschrifteinzug immer häufiger zu Rücklastschriften kam, entschloss sich der gesondert verurteilte Verantwortliche des Gewinnspieleintragungsdienstes, die Kunden mittels eines “Inkassoanwalts” zu mahnen, um so auf sie Druck auszuüben und dadurch zur Zahlung der unberechtigten Forderungen zu veranlassen. Er konnte den Angeklagten als “Inkassoanwalt” gewinnen und beauftragte ihn im weiteren Verlauf mit der Erstellung von mehreren Entwürfen für Mahnschreiben. Dass der Angeklagte bei deren Erstellung Kenntnis von der fehlenden Eintragung der Kunden in die Gewinnspiele hatte, konnte das Landgericht nicht feststellen.

 

Die entsprechend den Entwürfen hergestellten Mahnschreiben erweckten den Anschein, der Angeklagte habe die Forderungen aus den Gewinnspieleintragungen geprüft. Tatsächlich wurden die Namen der Empfänger vom Verantwortlichen des Gewinnspieleintragungsdienstes selbst eingesetzt. Der Angeklagte kümmerte sich weder darum, an wen die Briefe versandt wurden, noch darum, ob der Gewinnspieleintragungsdienst tatsächlich eine Forderung gegen den jeweiligen Empfänger des Schreibens hatte. Im Gegensatz dazu behauptete der Angeklagte in den Mahnschreiben, er sei mit der Durchsetzung der berechtigten Forderungen gegen den jeweiligen Empfänger beauftragt worden und werde dies auch konsequent tun. Seine Mandantin behalte sich vor, bei nicht fristgerechter Zahlung den Sachverhalt der Staatsanwaltschaft zur Überprüfung wegen des Verdachts des Betruges vorzulegen. Tatsächlich war zwischen dem Auftraggeber und dem Angeklagten vereinbart worden, dass keinesfalls eine gerichtliche Geltendmachung der Forderungen, geschweige denn die Erstattung von Strafanzeigen erfolgen sollte. Vielmehr sollten bei Beschwerden oder “Kündigungen” seitens der Kunden diesen ohne weitere Prüfung stets sämtliche etwa bereits geleistete Zahlungen zurückerstattet werden.

 

Aufgrund der Mahnaktionen gingen fast 860.000 € ein, von denen knapp 140.000 € dem Angeklagten zuflossen.

 

Die Strafkammer hat die Drohung mit einer Strafanzeige als verwerflich im Sinne des Nötigungstatbestandes (§ 240 Abs. 2 StGB*) bewertet.

 

Sie konnte aber nicht feststellen, dass die angeschriebenen Kunden wegen der Drohung mit der Strafanzeige bezahlt hatten. Möglicherweise hatten sie auch schon allein deshalb bezahlt, weil sie (überhaupt) ein anwaltliches Mahnschreiben erhalten hatten.

 

Deshalb wurde der Angeklagte wegen versuchter Nötigung in zwei Fällen verurteilt.

 

Der Bundesgerichtshof hielt mit dem oben sinngemäß wiedergegebenen Grund das Urteil der Strafkammer des Landgerichts Essen (Urteil vom 13. Dezember 2012 – 59 KLs 1/12).

 

Hierbei muss man, wie eingangs gesagt, den Fall genau betrachten. Es handelte sich um einen sogenannten Abmahnanwalt. Hierbei ging es um nur teils oder gar nicht geprüfte (angebliche) Ansprüche des Anspruchsstellers, für den der Rechtsanwalt tätig geworden ist. Die Formulierung des Bundesgerichtshof in den Entscheidungsgründen weisen eindeutige Parallelen zu den Vorgehensweisen der Betreiber sogenannter „Abofallen“ auf. Diese setzen (vermeintliche) Kunden wegen eines (zumindest) anfechtbaren Vertrages unter Druck. Diesem liegt auch ein Nötigungscharakter inne.

Hierbei braucht man sich nicht eines Anwalts bedienen, um den Tatbestand der Nötigung zu erfüllen. Es genügt auch die Drohung mit einem Rechtsanwalt, dass dieser den „juristischen Standpunknt fachlich“ durchsetzen wird. Auch die „Drohung“ der Möglichkeit einer Datenübermittlung (an die SchuFa) stellt „eine rechtswidrige Drohung mit einem empfindlichen Übel dar, die den Kläger zu einer Handlung – nämlich der Begleichung der angemahnten Forderung – nötigen sollte.“ (OLG Celle 13. Zivilsenat, Urteil vom 19.12.2013, 13 U 64/13)

 

 

Die Leitsätze hierzu:

1. Die Inaussichtstellung einer Datenübermittlung an die Schufa Holding AG kann unzulässig sein, wenn sie keinen gesetzlich vorgesehenen Zweck erfüllt, insbesondere weil der vermeintliche Schuldner die Forderung bereits bestritten hat.

2. Der Hinweis auf die Möglichkeit einer solchen Datenübermittlung begründet trotz eines Zusatzes, dass eine Übermittlung nur bei einredefreien und unbestrittenen Forderungen erfolgen wird, insbesondere dann eine Erstbegehungsgefahr, wenn der vermeintliche Schuldner die Forderung zuvor schriftlich bestritten und das Inkassounternehmen aufgefordert hat, weitere Drohungen mit einer Datenübermittlung zu unterlassen.

 

Es sollte jedoch immer der Einzelfall betrachtet werden. Es gibt Konstellationen, gerade im Bereich der Massenabmahnungen, wo der zuständige Rechtsanwalt nicht jede einzelne Forderung auf ihren Bestand kontrolliert. Gerade, wenn die Zahlung nach der ersten Aufforderung nicht erfolgte oder der tatsächliche oder vermeintliche Schuldner sich meldet, um die Forderung zu bestreiten, sollte eine Prüfung erfolgen und sicherheitshalber auf die Drohung verzichtet werden. Stattdessen könnte der Rechtsanwalt mit der Erstellung einer Strafanzeige – nach Prüfung der Rechtmäßigkeit des Anspruchs seines Mandanten gegen den Schuldner – beauftragt werden.

Ich bin kein Freund der Massenabmahnungen, jedoch halte ich sie nicht für gänzlich illegitim.

 

An die Studierenden unter den Lesern: Immer genau den Einzelfall betrachten. 😉

„Drohungen“ des Anwalts mit einer Strafanzeige, wenn man zum Beispiel dessen berechtigte Honorarforderung nicht begleicht, halte ich dagegen für völlig legitim.

 

 

 

Thomas Penneke

Strafverteidiger Rostock

 

 

 

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