Anfangsverdacht muss tragfähig begründet sein

Penneke GerichtsentscheidungDie bloße Vermutung genügt nicht, wenn die Wohnung eines Betroffenen als Beschuldigter durchsucht werden soll. Der angenommene Anfangsverdacht muss immer tragfähig begründet sein. Für einen Durchsuchungsbeschluss ist eine konkret formulierte, formelhafte Wendungen vermeidende Anordnung erforderlich, die zugleich den Rahmen der Durchsuchung abstecken sowie eine Kontrolle durch ein Rechtsmittelgericht ermöglichen kann (BVerfG, 2 BvR 2030/04, Beschluss vom 03.Juli 2006, Juris, Rn. 13, Gründe IV. 1. a).

Sachverhalt:

In der Nacht zum 21.05.2014 ging über das allgemeine Kontaktformular der Polizei eine Nachricht mit der Ankündigung eines Amoklaufes mit Sprengstoff bei der Beruflichen Schule des Kreises P. ein. Die Schule wurde daraufhin geräumt und nach Sprengstoff abgesucht. Die IP-Ermittlungen führten zu einem Server in Rumänien. Hinsichtlich der vom Verfasser benannten E-Mail-Adresse ich-kille-die-gesamte-Menschheit@web.de (von mir erfunden) ergeben sich fiktive Personalien und der Hinweis, dass die letzte Einwahl in den E-Mail-Account im Jahr 2010 erfolgt sein soll. Um 12:31 Uhr ging auf der Email-Adresse der Polizeidirektion B. eine weitere im Zusammenhang mit der vorangegangenen stehende Drohung, diesmal zum Nachteil des J. Gymnasiums, ein. Auch hier führten die IP-Ermittlungen zu einem Server in Rumänien. Zudem ergaben sich Hinweise, dass die E-Mail über ein sogenanntes TOR-Netzwerk versandt wurde. Aus vorangegangenen Ermittlungen ist der wegen eines Sprengstoffdelikts verurteilte Beschuldigte den Ermittlungsbehörden bekannt. Im Rahmen aktueller Ermittlungen war bei dem Beschuldigten ein PC beschlagnahmt worden, auf dem sich eine exakte Beschreibung eines Amoklaufs am Schulzentrum E. befand. Außerdem war auf dem PC eine Installationsdatei für das sogenannte TOR-Netzwerkt gespeichert. Mit weiteren Anhaltspunkten ergab sich für die Ermittlungsbehörden ein Anfangsverdacht gegen den Beschuldigten. Im Auftrag der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht I. beantragte KHK X. am 21.05.2014 nach fernmündlichem Sachvortrag beim Ermittlungsrichter des Amtsgerichts I. den Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses. Diesen erließ der Ermittlungsrichter um 13:55 Uhr fernmündlich. Am 23.05.2014 erging zudem der angefochtene schriftliche Beschluss. Die Durchsuchung wurde durchgeführt. Die Anfechtung mit der Beschwerde war erfolgreich.

 

“Zwar richtet sich die Beschwerde gegen den Beschluss vom 23.05.2014, tatsächlich handelt es sich dabei jedoch – wie sich auch aus den Gründen ergibt – lediglich um eine schriftliche Dokumentation der vorab am 21.05.2014 mündlichen erfolgten Durchsuchungsanordnung. Die Beschwerde ist daher als solche gegen den Beschluss vom 21.05.2014 auszulegen.

Die Beschwerde vom 24.06.2014 gegen die Durchsuchungsanordnung ist zwar prozessual überholt, weil die Durchsuchung bereits am 21.05.2014 erfolgte. Es handelt sich jedoch bei er Durchsuchung um einen tiefgreifenden Eingriff in das Grundrecht der Beschuldigten aus Art. 13 Abs. 1 GG. In solchen Fällen gibt das Erfordernis eines effektiven Rechtsschutzes der von der Maßnahme betroffenen Person das Recht, die Berechtigung auch eines nicht mehr fortwirkenden Eingriffs gerichtlich klären zu lassen (BVerfG NJW 1997, 3163 m.w.N.).

Rechtsgrundlage der Durchsuchungsanordnung sind die §§ 102, 105 StPO. Danach kann der Ermittlungsrichter bei demjenigen, der als Täter einer Straftat verdächtigt ist, eine Durchsuchung der Wohnung und anderer Räume anordnen, wenn zu vermuten ist, dass die Durchsuchung zum Auffinden von Beweismitteln führen wird. Dabei hat ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss zur rechtsstaatlichen Eingrenzung des Ermittlungszugriffs den Vorwurf sachangemessen zu konkretisieren und die gesuchten Beweismittel nach Möglichkeit wenigstens ihrer Gattung nach zu umschreiben.

Ob ein Durchsuchungsbeschluss grundsächlich schriftlich zu ergehen hat oder im Eilfall auch (fern-) mündlich erfolgen kann, ist streitig (vgl. Tsambikakis in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2014, § 105 Rn. 33f. m.w.N.). Eine Streitentscheidung ist hier jedoch entbehrlich, weil auch die Anforderungen, die die Rechtsprechung und Teile der Literatur, die in Eilfällen auch eine (fern-)mündliche Anordnung ausreichen lassen, aufstellen, nicht gewahrt sind. Denn nach dieser Auffassung ist in den Fällen der mündlichen Anordnung im Anschluss die Anordnung in der Ermittlungsakte schriftlich zu fixieren und die Dringlichkeitsgründe sind schriftlich festzuhalten. Daran fehlt es hier. Zwar macht eine unzureichende Dokumentation der richterlichen Entscheidung eine richterlich angeordnete Gestattung nicht unwirksam und führt in keinem Fall zu einem Verwertungsverbot. Allerdings ermöglicht die hier vorliegende Dokumentation der Durchsuchungsanordnung, der Beschluss vom 23.05.2014, keine Überprüfung der angeordneten Maßnahme in Hinblick auf ihre Vorrausetzungen und ihre Dringlichkeit.

Für einen Durchsuchungsbeschluss ist eine konkret formulierte, formelhafte Wendungen vermeidende Anordnung erforderlich, die zugleich den Rahmen der Durchsuchung abstecken sowie eine Kontrolle durch ein Rechtsmittelgericht ermöglichen kann (BVerfG, 2 BvR 2030/04, Beschluss vom 03.Juli 2006, Juris, Rn. 13, Gründe IV. 1. a). Die Durchsuchungsanordnung muss ein Mindestmaß an tatsächlichen Anhaltspunkten über den Inhalt des Tatvorwurfes enthalten und den Inhalt der konkret gesuchten Beweismittel erkennen lassen, wenn solche Kennzeichnungen nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen ohne weiteres möglich und den Zwecken der Strafverfolgung nicht abträglich sind (BVerfGE 42, 212 ff., 220; BVerfG, StrV 2002, 345 ff.). Dabei ist eine Angabe der Indiztatsachen, auf die der Tatverdacht gestützt wird, nicht zwingend erforderlich, wenn die Angabe der Verdachtsgründe nicht zur Begrenzung der richterlichen Durchsuchungsanordnung erforderlich ist (BVerfG, NStZ 2004, 160).”

Aus der Dokumentation des angefochtenen Beschlusses ergibt sich jedoch noch nicht einmal ein Zusammenhang zwischen dem Beschuldigten und der verfolgten Straftat.

Es fehlte mithin an einer tragfähigen Begründung des Anfangsverdachts gegen den Beschuldigten, zumal ausgeführt wurde, dass eine letzte Einwahl in den vom Verfasser der E-Mail verwendeten Account  ich-kille-die-gesamte-Menschheit@web.de im Jahr 2010 erfolgte und die Ermittlung bezüglich der verwendeten IP-Adresse zu einem Server in Rumänien geführt haben, jedoch nicht, welcher Zusammenhang zwischen der Tat und dem Beschuldigten bestehen soll.

Darüber hinaus fehlte aufgrund der unvollständigen Sätze auch ein Mindestmaß an tatsächlichen Anhaltspunkten über den Inhalt des Tatvorwurfes. Jedenfalls war anhand dieser Dokumentation nicht erkennbar, dass eine Einzelfallprüfung bei der Anordnung der Durchsuchungsanordnung am 21.05.2014 stattgefunden hat. Hierfür sprach im Übrigen, dass es sich bei der Dokumentation nur um eine wortwörtliche, wenn auch unvollständige Wiedergabe der E-Mail eines Ermittlungsbeamten an den Ermittlungsrichter vom 22.05.2014 (vgl. Bd. I, Bl. 60 ff. d. A.) handelt.

Schließlich waren auch offensichtliche Gründe für eine mündliche Durchsuchungsanordnung im vorliegenden Fall, in dem die Anordnung an einem Mittwoch um 13:55 Uhr (lt. Vermerken Bd. I, Bl. 8 und Bd. II, Bl. 8 d. A.) und damit während der normalen Dienstzeiten erfolgte, nicht ersichtlich.

Deswegen war die Beschwerde eben erfolgreich.

Einen Tipp für den Richter erspar ich mir. Das Landgericht hat hier schon die passenden Worte durch meine Beschwerde gefunden, auch wenn es wieder von mir abgeschrieben hat. 😛

 

Strafverteidiger Thomas Penneke

Thomas Penneke