Aussage gegen Aussage

Thomas Penneke Strafverteidiger Strafrecht Rostock Landgericht Rostock

Bei der Konstellation „Aussage gegen Aussagen“ sind an die Beweiswürdigung besonders strenge Anforderungen stellen.

Eine lückenlose Gesamtwürdigung aller Indizien ist hierfür von besonderer Bedeutung.

(LG Rostock 12 KLs 116/14-3 Urteil vom 17. September 2014)

 

Die Aussage gegen Aussage Konstellation ist in einem Strafrechtsfall ein schwieriges Feld für Juristen. Nur mit einem versierten Strafverteidiger, der ohne Furcht vor dem Richter oder Staatsanwalt die Verteidigung vorbereitet und auch durchführt, kann der Angeklagten um den Beweis seiner Unschuld kämpfen. Gerade bei dem Vorwurf der Vergewaltigung (Herr Kachelmann kann davon ein Liedchen singen) ist es für einen Mann schwer, seine Unschuld zu beweisen. Beteuerungen nützen meist nichts. Das lügende Opfer ist meinst auch noch abgewichst genug. Tränen werden im Gerichtssaal vergossen. Die Schöffen sind der Überzeugung, dass das Dreckschwein auf der Anklagebank ins Gefängnis muss. Doch wie auch im Fall Kachelmann, geschehen immer wieder Zeichen und Wunder.

 

Das Landgericht Rostock sprach am 17. September 2014 meinen Mandanten vom Vorwurf der schweren Vergewaltigung (§ 177 StGB) frei. Im wurde vorgeworfen, dass er durch Gewalt eine Frau zu sexuellen Handlungen genötigt habe und sie dabei in die Gefahr des Todes brachte. Ihm wurde vorgeworfen, dass er sie bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt habe. Über den Freispruch habe ich im Blog schon berichtet. Den Beitrag finden Sie hier “Aussage gegen Aussage – Landgericht spricht frei”.

 

In seiner Begründung hat das Landgericht én detail die Zeugenaussage und die Indizien gewürdigt. Hierbei hat das Landgericht – völlig korrekt – sehr hohe Anforderungen an die Beweiswürdigung gestellt. Es gibt in Deutschland und auch in Mecklenburg – Vorpommern Richter, die das nicht so sehen. Ich musste auch schon in Berufungsbegründungen der Staatsanwaltschaft lesen, dass das nächste Gericht doch nicht so hohe Anforderungen an die Beweiswürdigung stellen soll, damit es den Angeklagten – der in erster Instanz freigesprochen wurde – doch verurteilen kann. Im Blog hatte ich zu einem solchen Fall auch schon berichtet. Den Beitrag finden Sie hier “Keine hohen Anforderungen an die Überzeugungsbildung des Gerichts”.

 

Das Landgericht Rostock hat in seinen schriftlichen Urteilsgründen zu den Anforderungen an die Überzeugungsbildung Folgendes – wie schon erwähnt – völlig korrekt ausgeführt:

„Auch bei der gebotenen Würdigung des Beweisergebnisses aufgrund einer Gesamtschau aller für und gegen die Täterschaft des Angeklagten sprechenden Indizien hat sich die Kammer nicht mit ausreichender Sicherheit von der Berechtigung des Tatvorwurfs überzeugen können. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Zeugin um die einzige Belastungszeugin handelt und die Aussage eines solchen Zeugen einer besonderen Glaubwürdigkeitsprüfung unterliegt, zumal ein Angeklagter in einem solchen Fall wenig Verteidigungsmöglichkeiten durch Äußerungen zur Sachlage besitzt. Daher sind besonders strenge Anforderungen an die Beweiswürdigung zu stellen, wenn „ Aussage gegen Aussage“ steht. Eine lückenlose Gesamtwürdigung aller Indizien ist dann von besonderer Bedeutung (BGH St 44, 153). Da die Kammer aufgrund der aufgezeigten erheblichen Abweichungen und Ungereimtheiten im Aussageverhalten der Zeugin ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit ihrer Schilderung des Tatgeschehens hat, müssen außerhalb ihrer Aussage liegende gewichtige Umstände vorhanden sein, die es der Kammer ermöglichen, sich gleichwohl von der Berechtigung des erhobenen Tatvorwurfes der Vergewaltigung zu überzeugen. Dies ist hier nicht der Fall. Die aufgezeigten, den Angeklagten belastenden Indizien sind nach Dafürhalten der Kammer auch in ihrer Gesamtheit nicht derart eindeutig und derart gewichtig, dass sie die aufgezeigten erheblichen Bedenken der Kammer in Bezug auf die Glaubwürdigkeit der Zeugin auszuräumen und die aufgezeigten entlastenden Indizien zu entkräften vermögen.

 

Da trotz der gebotenen Gesamtwürdigung sämtlicher erhobener Beweise Zweifel am seitens der Zeugin behaupteten Tathergang verbleiben, war eine Verurteilung des Angeklagten ausgeschlossen.

 

Dafür hätte das Landgericht in seiner mündlichen Urteilsbegründung schon Applaus ernten müssen. Gerade vor dem Hintergrund, dass falsche Belastungen ein unschuldiges Menschenleben zerstören (Beispiel: Fall Arnold), ging diese Entscheidung runter wie Öl. Endlich zeigt auch ein Gericht in Mecklenburg-Vorpommern den Mut, einem angeblichen Vergewaltigungsopfer nicht alles zu glauben, vor allem, wenn die Indizien nicht zu der Version des angeblichen Opfers passen.

 

Es musste nicht der Angeklagte seine Unschuld beweisen. Bei vielen Richtern, die ich erlebt habe, ist der Grund der Verurteilung, dass der Angeklagte seine Unschuld nicht beweisen konnte. Klassikerspruch in der Urteilsbegründung dann: “Es lagen keine Belastungstendenzen bei dem Opfer vor. Gründe, warum das Opfer lügen und den Angeklagten somit zu Unrecht belasten sollte, sind nicht ersichtlich.”

 

Das freisprechende Urteil des Landgerichts Rostock vom 17. September 2014 ist rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft hat die zunächst fristwahrende Revision am 21. Oktober 2014 zurückgenommen.

 

Thomas Penneke