Ablehnung der Beiordnung als Verletztenbeistand bei vers. Tötungsdelikt

MesserDas Landgericht Neubrandenburg half am 22. August 2013 (82 Qs 139/13) einer Beschwerde des Geschädigten nicht ab. Im vorherigen Beschluss des Amtsgerichts Neubrandenburg vom 16. Oktober 2012 (323 Gs 1379712) wurde ihm die Beiordnung eines Verletztenbeistandes versagt, da kein Fall des § 397 a StPO vorgelegen habe.

 

Sachverhalt der Tat: Der Beschwerdeführer erlitt im Rahmen einer tätlichen Auseinandersetzung mit mehreren Personen in den frühen Morgenstunden des 6.3.11 unter anderem eine einzelne, ca. sechs cm tiefe Stichwunde in der linken Flanke. Es bestand Lebensgefahr.

 

Weiterführender Sachverhalt zum hiesigen Thema: Mit anwaltlichen Schriftsatz vom 30. 9.2011 beantragte der Beschwerdeführer, ihm einen Rechtsanwalt als Verletztenbeistand zu bestellen, hilfsweise die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, da ein versuchten Tötungsdelikt im Raum stehe und er im Übrigen nicht in der Lage sei, seine Rechte adäquat wahrzunehmen.

 

Das Amtsgericht Neubrandenburg hat den Antrag des Beschwerdeführer mit Beschluss vom 16.10.2012 abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, es liege kein Fall des § 406 g Abs. 3 StPO in Verbindung mit § 397 a StPO vor, da lediglich eine Straftat des § 224 Abs. 1 Ziff. 2 StGB vorliege.

 

Gegen diesen Beschluss hat der Beschwerdeführer mit anwaltlichen Schriftsatz vom 25. 6.2012 Beschwerde eingelegt. Dem half das Landgericht Neubrandenburg nicht ab.

 

Das Amtsgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass kein Fall der obligatorischen Beiordnung eines Verletztenbeistandes nach §§ 406 g Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 397 a Abs. 1 StPO vorliege. Das Amtsgericht habe insoweit zutreffend festgestellt, dass von einer gefährlichen Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB) auszugehen sei.

 

„Dem Akteninhalt sind insbesondere keine zureichenden Anhaltspunkte für ein versuchtes Tötungsdelikt zum Nachteil des Beschwerdeführers zu entnehmen. Angesichts der Lokalisierung der Stichwunde in der Flanke des Beschwerdeführers kann ein Handeln mit – und sei es auch nur bedingten – Tötungsvorsatz (anders als etwa bei einer Stichwunde im Hals- oder Brustbereich) nicht ohne Weiteres unterstellt werden.“ Und dann setzt das Landgericht Neubrandenburg noch einen drauf, obwohl sich hierzu aber auch keine Anhaltspunkte in der Akte befunden haben, denn die Beschuldigten bestritten sogar die Körperverletzung: „Selbst wenn der Stich mit Tötungsvorsatz geführt worden wäre, so wäre insoweit jedenfalls von einem Rücktritt vom Versuch (§ 24 Abs. 1 StGB) auszugehen.“

 

Gründe hierfür:

„Der Stich hat erkennbar nicht zum Tode des Beschwerdeführers geführt – …“

Ja, denn der Mandant lebt Gott sei Dank noch. Daher wurde auch ein versuchtes Tötungsdelikt angenommen.

 

„… – er ist von diesem sogar nicht einmal unmittelbar bemerkt worden.“

Ja, (mit „er“ war der Stich gemeint) denn der Beschwerdeführer war erheblich betrunken. Das gibt der Akteninhalt ebenfalls her, da er und die Zeugen unmittelbar hiernach die Verletzung bemerkten. Man höre: er habe den Stich nicht bemerkt!!!

 

„Da keine weiteren Stiche erfolgten, ist zwanglos davon auszugehen, dass der Täter (wenn er denn mit Tötungsvorsatz gehandelt hat) jedenfalls die weitere Tatausführung aus freien Stücken aufgegeben hat.“

Ja, das Landgericht kann den Rücktritt darin erkennen, auch wenn es nicht auszuschließen ist, dass die Täter gedacht haben, dass alles geschehen ist, um den Tod herbeizuführen. Gnädiges Gericht.

 

„Es verbleibt damit einzig der Verdacht der gefährlichen Körperverletzung; dieser Tatbestand ist in § 397 a Abs. 1 StPO nicht aufgeführt.“ Ja, logische Konsequenz!

 

Man muss sich doch stark wundern, dass dann das Amtsgericht Neubrandenburg auch die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Anwalts abgelehnt hat. Lapidare Begründung, dass es sich nicht erschließe, dass der Beschwerdeführer seine Interessen nicht selbst wahrnehmen könne. Wieder so ein bedeutender Satz von einem Volljuristen, der sein Wissen und vor allem seine Aktenkenntnis mit dem eines Opfers (dieses Mal kein Täter) gleichsetzt.

 

Deswegen gab es auch 4 Einstellungen auf drei Beschwerden:

 

  1. Einstellung am 15.11.11 (Beschwerde)
  2. Einstellung am 14.08.12 (Beschwerde)
  3. Einstellung am 17.06.13 (Beschwerde)
  4. Einstellung am 01.04.14 (nur noch Klageerzwingung möglich)

 

Er konnte also seine Interessen selbst wahrnehmen…. So so! 🙁

 

Thomas Penneke 

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