Heute hatte ich das seltene Problem, dass mir die Worte für den Schlussvortrag fehlten. Ansonsten rede ich gern und auch in aussichtslosen Fällen lange und finde hier und da das passende Argument, warum ich der Überzeugung bin, dass mein Mandant unschuldig ist. Heute hatte ich wirklich kein vernünftiges Argument. Der Angeklagte bestritt die Tat vehement, die Beweislage sprach gegen ihn. Ich bin der vom Mandant gewählte Pflichtverteidiger (also nicht der Urteilsbegleiter 😉 )
Das Problem: Hält man einen Schlussvortrag oder nicht? Welchen Antrag stellt man? Was sagt man überhaupt? Muss man einen Antrag stellen? Halten mich alle für stumm?
In § 258 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) heißt es: „Nach dem Schluss der Beweisaufnahme erhalten der Staatsanwalt und sodann der Angeklagte zu ihren Ausführungen und Anträgen das Wort.“
Eine gesetzliche Pflicht zum Schlussvortrag für den Strafverteidiger ergibt sich aus der Vorschrift des § 258 StPO nicht.
Für den Pflichtverteidiger bestehen unterschiedliche Ansichten, ob dieser verpflichtet ist, einen Schlussvortrag mit einem Antrag zu halten (so gefunden heute im Meyer/Goßner StPO § 258 Rn. 11 in der Verhandlung – dann bei der Nacharbeit zu dem Fall in der Online-Recherche verneinend gefunden von BGH NStZ 1981, 295; BGH bei Holtz MDR 1980, 274; LR/Stuckenberg § 258 Rn. 24).
Die Mehrheit sagt also, dass das geht. 🙂
Grundsätzlich nimmt aber der Verteidiger/auch der Wahlverteidiger seine Aufgabe nicht ordnungsgemäß wahr, wenn er keinen Schlussvortrag hält.
Die Gefahr als Pflichtverteidiger besteht, dass § 145 StPO hier Anwendung finden könnte, da hier angenommen werden kann, dass der Verteidiger die Verteidigung verweigert. Die Weigerung, die Verteidigung zu führen, braucht nicht ausdrücklich erklärt werden. Es genügt, wenn der Verteidiger untätig bleibt (BGH StV 93, 566). Folge könnte dann gemäß § 145 Abs. 1 StPO sein, dass ein anderer Pflichtverteidiger bestellt wird. Von der möglichen Kostenentscheidung gegen den Pflichtverteidiger an diesem Hauptverhandlungstag wegen der Weigerung der Verteidigung ganz zu schweigen.
Das war das, was mir im Saal “Sorgen” machte. Ich glaube, dass ich heute den goldenen Weg gefunden habe:
„Frau Vorsitzende, Hohes Gericht,
mein Schlussvortrag beginnt jetzt.
Der Angeklagte hat die Tat bestritten.
Einen Antrag stelle ich nicht.
Mein Schlussvortrag endet damit, dass ich DANKE sage.
Danke.“
🙂 Ich glaube, dass damit einem Pflichtverteidiger gar nichts passieren kann.
PS: Für den Fall der Wahlverteidigung kommt bei Verweigerung des Schlussvortrags eine positive Vertragsverletzung des mit dem Mandanten geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrags in Betracht. Daher sollte da in jedem Fall ein Schlussvortrag gehalten werden oder mit dem Mandanten vorher oder in der Verhandlung (schriftlich) abgesprochen werden, dass kein Vortrag gehalten werden soll.
Thomas Penneke