Haft: Richter muss die Akte nicht vorlegen

Es kann dahinstehen, ob die Richterin allein aufgrund der fehlenden Aktenvorlage zur Aufhebung des Haftbefehls verpflichtet gewesen wäre. Die Beschwerdegerichte treffen eigene Sachentscheidungen. (OLG Rostock 27. Februar 2024 12 Qs 2/24 (1)).

Erst einmal einsperren, wehren kann er sich später auch noch?

Sachverhalt

Beim Amtsgericht ging eine Anklage ein, woraufhin der zuständige Richter einen Haftbefehl gegen den Angeschuldigten erließ. Der Angeschuldigte wurde 5. Januar 2024 (Freitag) verhaftet und am 6. Januar 2024 (Sonnabend) dem Richter vorgeführt. Die Verkündung erfolgte durch die Bereitschaftsrichterin, die nicht den Haftbefehl erlassen hatte. Der Verteidiger monierte, dass die Akte der verkündenden Richterin nicht vorliege und ihm hier zur Anhörung nicht zur Verfügung – auch nicht in Auszügen – gestellt werden kann. Das faire Verfahren sei verletzt.

Die verkündende Richterin setzte des Haftbefehl trotzdem in Vollzug. Dies rügte der Verteidiger mit der Beschwerde. Das Landgericht Rostock verwarf die Beschwerde mit dem Grund, dass der Verteidiger zwischenzeitlich die Akte hätte einsehen können, nebst weiteren Ausführungen zu den Haftgründen.

Dies monierte der Verteidiger mit der weiteren Beschwerde. In den Hauptgründen führte er an, dass dem Beschwerdegericht die Akten auch nicht bekannt sein dürften, denn er hatte zwischenzeitlich (und zwar am 9. Januar 2024) im Amtsgericht Akteneinsicht nehmen können. Dies sei aber unbeachtlich, denn die verkündende Richterin habe die Akte nicht gekannt, sondern nur anhand des Haftbefehls ihre Entscheidung getroffen.

Entscheidung

Das Oberlandesgericht verwarf die weitere Beschwerde mit weiteren Begründungen zur Wiederholungsgefahr. Zum Schluss äußerte sich das Oberlandesgericht zum Hauptvorbringen der Beschwerde, wie eingangs als Leitsatz.

Meinung und Schluss

Ein Richter, der lediglich einen Haftbefehl verkündet, muss keine Aktenkenntnis haben, so das Oberlandesgericht im Ergebnis. Denn anders kann man das nicht verstehen. Die Akten befanden sich sogar beim Amtsgericht (Anklage war erhoben). Auch der Verteidiger konnte ein paar Tage später, diese in den Räumen des Gerichts einsehen.

Zur Vorführung gehört auch die Vorlage der Unterlagen, die der vorführende Beamte besitzt. Darüber hinaus ist die Staatsanwaltschaft zur Herbeischaffen der Akten verpflichtet (Meyer-Goßner StPO § 115 Rn. 3). Liegt die Verfügungsgewalt über die Akte nicht mehr bei der Staatsanwaltschaft geht diese auf den zuständigen Richter über.

Es ist umstritten, ob bei fehlender Aktenvorlage der Haftbefehl aufzuheben sei. Ich sehe das so! Es kann nicht sein, dass der Beschuldigte/Angeschuldigte und dessen Verteidiger auf das Vorbringen im Haftbefehl bzw. Haftbefehlsantrag beschränkt werden. Damit wird die Verteidigung behindert. Wie soll der Verteidiger bzw. der Beschuldigte denn die Angaben im Haftbefehl überprüfen? Der im Beschluss des Landgerichts Rostock als Seitenhieb gedachte Verweis, der Verteidiger hätte doch zwischenzeitlich Akteneinsicht nehmen können, verfängt daher auch nicht. Das Gericht hat hier in – meines Erachtens – unzulässiger Weise versucht, die Arbeit des Verteidigers vor seinem Mandanten zu kritisieren. Die Akteneinsicht hatte dieser aber schon genommen.

Der Seitenhieb sei geschenkt. Es verfängt aber deswegen nicht, weil sich der Beschuldigte zumindest bis zum Montag (denn am Sonnabend wurde der Befehl verkündet) in Unwissenheit und ohne jegliche Verteidigungsmöglichkeit in Unfreiheit befunden hat. Und das ist der Verstoß gegen ein faires Verfahren. Erstmal einsperren, wehren kann er sich später.

Die Freiheit verkennen manche Richter und sehen den Beschuldigten nur als Akte und den Verteidiger als lästigen Aktenschieber.

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