Die Richterin malt Kästchen aus

Absurde Züge nimmt das Verfahren gegen die Gründer des  Immobiliengeflechts S&K vor dem Landgericht Frankfurt am Main an. Es bricht nicht nur Rekorde – was zu einem großen Teil an der mehr als 3000 Seiten dicken Anklage liegt. Was macht eine Richterin während der Anklageverlesung?

Dreist sollen es die Angeklagten Stephan S. und Jonas K. (als Hauptangeklagte) und vier weitere Angeklagte getrieben haben. Sie sollen mit dem Geld der Anleger Luxusreisen und Prostituierte bezahlt haben. Die Anleger investierten in teils “halsbrecherische” Anlagen.

Die Anklage umfasst 1.700 Seiten. Meine längste Anklage, die ich hier auf dem Tisch habe umfasst 1.182 Seiten (Bildung einer kriminellen Vereinigung). Ich schätze, dass unsere Staatsanwaltschaft hierfür mindestens drei Tage braucht.

In Frankfurt steht der Lesezähler nach 14 Verhandlungstagen bei rund 1000 von 1700 Seiten. OK! Dann ist das so. 😉

Bei Prozessauftakt titelten die Zeitungen fette Überschriften und sprachen von einer „Ouvertüre eines der größten Wirtschaftsstrafverfahren in der bundesdeutschen Geschichte“. 🙂

Nun geschah es. Nach der Seite 860 der Anklage stellte der Anwalt eines weiteren Angeklagten einen Befangenheitsantrag gegen eine besitzende Richterin. Diese hatte während der Anklageverlesung auf einem vor ihr liegenden Zettel gemalt. Der Anwalt meinte in seinem Befangenheitsantrag, dass die Richterin der Anklageverlesung nicht mehr folge, da sie “ständig malt, ausmalt, Striche und Quadrate fertigt”. In seinem Antrag soll der Anwalt eine genaue Auflistung getätigt haben, wann die Richterin dieser “Tätigkeit” während derAnklageverlesung nachgegangen sei. Dabei soll sie sogar einmal für über 20 Minuten Zeit in Anspruch genommen haben, ohne einmal nach “oben zu schauen”. Der hierfür benutzte Zettel soll in Augenschein genommen werden.

Kann man einer so langen Anklage überhaupt noch folgen, wenn man keine Kästen malt? 😀

 

Thomas Penneke

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