Entschädigung für überlang vollzogene Sicherungsverwahrung

Knast

 

OLG Hamm gewährt 500 Euro pro Monat Entschädigung für überlang vollzogene Sicherungsverwahrung

Für eine konventionswidrig vollzogene Sicherungsverwahrung beträgt die nach Art. 5 Abs. 5 EMRK zu gewährende angemessene Entschädigung regelmäßig rund 500 Euro pro Monat.

Die Regelung in § 7 Abs. 3 StrEG ist nicht entsprechend anwendbar. Dies hat das Oberlandesgericht Hamm mit zwei Urteilen vom 14.11.2014 klargestellt.

 

Danach erhalten zwei Männer vom Land Nordrhein-Westfalen Entschädigungen in Höhe von von 16.665 Euro und 30.500 Euro. Die 70 und 51 Jahre alten Männer hätten sich für knapp über 57 beziehungsweise 61 Monate zu Unrecht in der Sicherungsverwahrung befunden. Wie das OLG mitteilte, hat das Gericht noch in weiteren ähnlich gelagerten Fällen zu entscheiden.

 

Gründe (entnommen aus openjur)

 

OLG Hamm, Urteil vom 14. November 2014 – Az. 11 U 80/13

Gründe

I.

Der Kläger verlangt von dem beklagten Land Zahlung einer Geldentschädigung wegen einer vollzogenen nachträglich angeordneten Sicherungsverwahrung in der Zeit vom 22.05.2006 bis zum 28.02.2011.

Hinsichtlich des wechselseitigen Vortrags und der gestellten Anträge aus der 1. Instanz wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat dem Kläger eine Entschädigung i.H.v. 28.665 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.01.2013 zugesprochen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Dem Kläger stehe ein Anspruch auf diese Entschädigungssumme aus Art. 5 Abs. 5 EMRK zu, da in der gegen ihn nachträglich angeordneten Sicherungsverwahrung und in dem Vollzug derselben ein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 EMRK zu sehen sei. Die Sicherungsverwahrung stelle eine Freiheitsentziehung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 EMRK dar. Die Rechtfertigungsgründe aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 EMRK seien demgegenüber nicht erfüllt.

Die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung stelle insbesondere keine rechtmäßige Freiheitsentziehung nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht im Sinne von Art. 5 Abs. 1 S. 2 a EMRK dar. Das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 15.05.2006, durch welches die nachträgliche Sicherungsverwahrung angeordnet worden sei, genüge den Anforderungen des Art. 5 Abs. 1 S. 2 a EMRK nicht, da die Entscheidung ohne Schuldfeststellung erfolgt sei und zwischen der ursprünglichen Verurteilung vom 19.09.2001 und der Fortdauer der Freiheitsentziehung aufgrund der nachträglichen Sicherungsverwahrung kein hinreichender Kausalzusammenhang mehr bestanden habe. Die Sicherungsverwahrung sei allein aufgrund des neu eingeführten § 66 b StGB a.F. erfolgt. Dieser habe vorgesehen, dass für den Fall, dass die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67 d Abs. 6 StGB für erledigt erklärt worden sei, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruht habe, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht mehr bestanden habe, das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen könne, wenn die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung während des Vollzugs der Maßregel ergebe, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen werde, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt würden. Bei dem Kläger habe jedoch sowohl der Zeitpunkt der Tatbegehung, als auch der Zeitpunkt der Ausgangsverurteilung vor der Einführung des § 66 b StGB a.F. gelegen, so dass der Kläger zum 21.05.2006 hätte entlassen werden müssen.

Es liege auch kein Rechtfertigungsgrund nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 c EMRK vor, weil potentielle künftige Straftaten, die hinsichtlich ihres Ortes und der Zeit ihrer Begehung nicht hinreichend bestimmt seien, nicht unter den Anwendungsbereich dieser Vorschrift fallen würden.

Darüber hinaus liege auch ein Rechtfertigungsgrund nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 e EMRK nicht vor. Es sei nicht hinreichend dargelegt, dass die von dem Bundesverfassungsgericht festgelegten engen Ausnahmevoraussetzungen, wonach eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten vorliegen und der Sicherungsverwahrte an einer psychischen Störung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 ThUG leiden müsse, bei dem Kläger in dem maßgeblichen Zeitraum seiner Sicherungsverwahrung vorgelegen hätten. Die Entscheidung, durch die die Fortdauer der Sicherungsverwahrung angeordnet worden sei, stelle zudem keine hinreichende Grundlage für die Feststellung einer zuverlässig nachgewiesenen Störung bei dem Kläger dar. Dies gelte insbesondere, weil die Entscheidung auf der Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes beruhe.

Für den geltend gemachten Zeitraum der Sicherungsverwahrung vom 22.05.2006 bis zum 28.02.2011 sei eine Entschädigung i.H.v. 28.665 € angemessen. Eine höhere Entschädigung komme insbesondere nicht aufgrund einer Anwendung von § 7 Abs. 3 StrEG, der einen Tagessatz i.H.v. 25 € vorsehe, in Betracht. Eine direkte Anwendung dieses Paragraphen scheide aus, weil die Anspruchsvoraussetzungen aus dem Strafrechtsentschädigungsgesetz nicht vorliegen würden. Auch eine analoge Anwendung komme nicht in Frage. Es fehle hierfür an einer Regelungslücke. Der Gesetzgeber habe sich nur im Rahmen des Strafrechtsentschädigungsgesetzes und damit ausnahmsweise für eine Pauschalierung des Betrages der immateriellen Entschädigung entschieden. Ansonsten liege die Ermittlung der Höhe des immateriellen Schadens grundsätzlich im Ermessen des Tatrichters gemäß § 287 Abs. 1 ZPO und richte sich nach Art, Schwere und Umfang der Beeinträchtigung, wobei sie sich an vergleichbaren Fällen orientiere. Damit sei eine grundsätzliche Regelung, wie eine immaterielle Entschädigung zu bemessen sei, vorhanden. Gegen die analoge Anwendung des § 7 Abs. 3 StrEG spreche zudem, dass das Gericht im konkreten Einzelfall an einer Erhöhung der Entschädigung zu Gunsten des Betroffenen gehindert wäre, wenn es über den bloßen Freiheitsentzug hinaus zu Unzulänglichkeiten für den Betroffenen gekommen sei.

Unter Berücksichtigung der Art, Schwere und des Umfangs der Beeinträchtigung sei der ausgeurteilte Betrag angemessen. Dabei falle insbesondere der Freiheitsentzug an sich und die nicht unbeträchtliche Länge des Freiheitsentzuges ins Gewicht. Der Entschädigungsbetrag entspreche etwa einem Betrag von 500 € pro Monat und sei damit vergleichbar mit denjenigen Beträgen, die der EGMR in ähnlichen Fällen zuspreche. Soweit das beklagte Land einwende, dass eine Genugtuung des Klägers bereits in dem Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 22.07.2010 zu sehen sei, mit welchem die angeordnete Unterbringung in die nachträgliche Sicherungsverwahrung zur Bewährung ausgesetzt worden sei, sei dies allenfalls bei kurzfristigem Freiheitsentzug anzunehmen, welcher hier aber nicht vorliege.

Mit der Berufung des beklagten Landes begehrt dieses weiterhin die vollständige Klageabweisung. Das beklagte Land sei schon nicht passivlegitimiert. Vielmehr müsse sich die Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland richten. Tauglicher Anknüpfungspunkt für eine anspruchsbegründende Verletzung der Freiheitsgarantie des Art. 5 Abs. 1 EMRK könne im vorliegenden Fall nämlich nur das Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung sein, welches ein Bundesgesetz sei. Für das beklagte Land habe bis zum 10.05.2010, dem Zeitpunkt der Endgültigkeit des Urteils des EGMR vom 17.12.2009, aufgrund Bundesrechts gar nicht die Möglichkeit bestanden, die konventionswidrige Sicherungsverwahrung zu beenden.

Darüber hinaus sei das fragliche Urteil des Landgerichts Duisburg vom 15.05.2006 auf die Revision des Klägers durch die Entscheidung des Bundesgerichtshof vom 21.12.2006 bestätigt worden, so dass sich auch hieraus ergebe, dass die Bundesrepublik Deutschland der Hoheitsträger sei, dessen Hoheitsgewalt im Einzelfall bei der rechtswidrigen Freiheitsentziehung ausgeübt worden sei.

Diese Folge ergebe sich auch aus § 1 Abs. 1 Lastentragungsgesetz, weil es nämlich bis zum 10.05.2010 allein und ausschließlich in die Kompetenz der Bundesrepublik Deutschland und des Bundesgesetzgebers gefallen sei, die konventionswidrige Sicherungsverwahrung zu beenden.

Darüber hinaus scheide jedoch eine Entschädigung für die Zeit vor dem 10.05.2010 ohnehin aus. Erst ab diesem Zeitpunkt sei die nachträgliche Sicherungsverwahrung gemäß § 66 b StGB a.F. endgültig als konventionswidrig erkannt worden. Erst ab diesem Zeitpunkt habe somit die Pflicht der innerstaatlichen Behörden und Gerichte bestanden, diese Rechtslage zu berücksichtigen. Erst ab diesem Zeitpunkt hätten die nationalen Gerichte die Konventionswidrigkeit einer von ihnen anzuwendenden Rechtsnorm erkennen und entsprechend beachten müssen. Eine Rückabwicklung in die Vergangenheit habe dadurch jedoch nicht stattfinden sollen, denn für den Zeitpunkt vor dem Bekanntwerden der Entscheidung des EGMR hätten sich die nationalen Gerichte auf die gesetzgeberische Entscheidung und die dazu ergangene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stützen können. Dies gebiete schon der Grundsatz der allgemeinen Rechtssicherheit.

In der Vollziehung der Sicherungsverwahrung des Klägers vom 22.05.2006 bis zum 28.02.2011 sei darüber hinaus kein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 EMRK zu sehen, der nicht gerechtfertigt gewesen sei. In diesem Fall liege ein Rechtfertigungsgrund nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 a EMRK vor. Es handele sich nämlich um eine rechtmäßige Freiheitsentziehung nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht. Die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung durch Urteil des Landgerichts Duisburg vom 15.05.2006 habe unmittelbar an das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 19.09.2001 angeknüpft.

Des Weiteren sei es so, dass sich die Klage zwischenzeitlich erledigt habe. Der Kläger habe in Bezug auf die hier in Rede stehende Sicherungsverwahrung bereits im Dezember 2010 Beschwerde zum EGMR erhoben. Diese habe der EGMR dem Bundesjustizministerium durch Verfügung vom 04.02.2013 zur Kenntnis gebracht und einen auf Abschluss des Verfahrens gegen Zahlung von 12.000 € gerichteten Vergleich vorgeschlagen. Diesen Vergleich habe der Kläger zwar zunächst abgelehnt, er habe sich jedoch einer einseitigen Erklärung der Bundesregierung durch Schriftsatz vom 22.05.2013, welche das Anerkenntnis einer Verletzung von Art. 5 und Art. 7 EMRK sowie eine Entschädigungszahlung i.H.v. 12.000 € im Falle der Beendigung des Beschwerdeverfahrens durch Streichung der Beschwerde beinhaltete, mit Schriftsatz vom 24.06.2013 angeschlossen. Durch diese Erklärung sollten sämtliche Ansprüche des Klägers wegen etwaiger konventionswidriger Unterbringung in der Sicherungsverwahrung einschließlich Kosten und Auslagen als abgegolten gelten. Der EGMR habe daraufhin am 17.09.2013 entschieden, dass die Beschwerde des Klägers aus dem Register des EGMR zu streichen sei. Der Entschädigungsbetrag i.H.v. 12.000 € sei im Anschluss daran an den Kläger ausgezahlt worden, was unstreitig ist. Durch diese Einigung seien alle Ansprüche des Klägers in dieser Sache erledigt. Jedenfalls seien die gezahlten 12.000 € auf den Entschädigungsbetrag anzurechnen.

Das beklagte Land beantragt,

1. unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen;

2. vorsorglich bei gleichzeitiger Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils des Landgerichts Dortmund vom 18.06.2013 festzustellen, dass sich der Rechtsstreit 25 O 332/11, LG Dortmund, bzw. 11 U 80/13, OLG Hamm, erledigt hat.

Der Kläger beantragt,

1. die Berufung des beklagten Landes zurückzuweisen;

2. in Abänderung des Urteils des Landgerichts Dortmund vom 18.06.2013 das beklagte Land zu verurteilen, an ihn 43.600 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.01.2013 zu zahlen.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Mit seiner Berufung begehrt der Kläger die Verurteilung des beklagten Landes zur Zahlung einer weiteren Entschädigung i.H.v. 14.935 € nebst Zinsen. Der Kläger ist diesbezüglich der Meinung, ein Schmerzensgeldbetrag i.H.v. 25 € pro Tag sei angemessen. Eine unterschiedliche Bemessung der Geldentschädigung je nach maßgeblicher Anspruchsgrundlage (Art. 5 Abs. 5 EMRK oder § 7 Abs. 3 StrEG) sei unbillig, da beide in Betracht zu ziehenden Anspruchsgrundlagen verschuldensunabhängig seien und Ausmaß und Wirkung der Freiheitsentziehung keine Unterschiede aufweisen würden.

Es sei zutreffend, dass der Kläger im Rahmen eines Individualbeschwerdeverfahrens zum EGMR von der Bundesrepublik Deutschland im Dezember 2013 eine Summe i.H.v. 12.000 € erhalten habe. Die einseitige Erklärung der Bundesrepublik Deutschland, welche darauf abgestellt habe, dass mit Zahlung von 12.000 € sämtliche Ansprüche des Klägers wegen konventionswidriger Unterbringung in der Sicherungsverwahrung als abgegolten gelten sollten, könne aber ausschließlich zwischen ihm und der Bundesrepublik Deutschland gelten. Durch die Zahlung der Bundesrepublik Deutschland sei lediglich das legislative Unrecht abgegolten worden. Anknüpfungspunkt dieses Verfahrens gegen das beklagte Land sei jedoch die rechtswidrige Freiheitsentziehung, die durch das Gericht und die Vollzugsbehörden des beklagten Landes erfolgt sei. Es handele sich daher um 2 unterschiedliche Ansprüche, die nebeneinander geltend gemacht werden könnten.

Bei der Bemessung der Entschädigung müsse ebenfalls berücksichtigt werden, dass der Kläger zwar seine Veranlagung nicht ändern könne, aber sein Verhalten. Dies habe er getan. So habe er mit Erklärung vom 07.07.2004 auf eine vorzeitige Entlassung zum Zweidrittelzeitpunkt verzichtet und die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung sei lediglich deshalb erfolgt, weil der Kläger im Oktober 2005 in einer Therapiesitzung über einen Vorfall im September 2005 im Rahmen eines von der sozialtherapeutischen Anstalt veranstalteten Tages der offenen Tür berichtet habe, bei dem sich seine Neigung deutlich gezeigt habe.

II.

Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Die Berufung des beklagten Landes ist begründet, soweit die Verurteilung durch das Landgericht über einen Geldbetrag i.H.v. 16.665 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.01.2013 hinausgegangen ist. Im Übrigen ist die Berufung des beklagten Landes unbegründet.

1.

Der Kläger hat gegen das beklagte Land lediglich noch einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung i.H.v. 16.665 € gemäß Art. 5 Abs. 5 EMRK.

a) Dabei ist die Haftung des beklagten Landes dem Grunde nach nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19.09.2013 (III ZR 405/12) nicht mehr ernstlich im Streit. Das beklagte Land ist danach unzweifelhaft passivlegitimiert.

Im Rahmen der innerstaatlichen Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs nach Art. 5 Abs. 5 EMRK ist die Frage der Person des Verpflichteten – wie bei der Amtshaftung – durch Anwendung des Art. 34 GG zu klären. Danach ist der Hoheitsträger (Bund, Land oder sonstige Gebietskörperschaft) verantwortlich, dessen

Hoheitsgewalt bei der rechtswidrigen Freiheitsentziehung ausgeübt wurde. Art. 5 Abs. 5 EMRK knüpft an eine konventionswidrige Freiheitsentziehung an. Der unmittelbare Eingriff in das Freiheitsrecht des Klägers ist durch die Beschlüsse der Strafvollstreckungskammer und deren anschließenden Vollzug in der Justizvollzugsanstalt erfolgt, welche Behörden des beklagten Landes sind. Dass die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung auf der Anwendung bundesrechtlicher Vorschriften beruhte und es im vorliegenden Fall auch nicht darum geht, dass den zuständigen Amtsträgern bei der Anwendung dieser Normen Fehler im Einzelfall unterlaufen sind, ändert im Verhältnis der Parteien zueinander nichts an der Passivlegitimation des beklagten Landes (BGH, III ZR 405/12, zitiert bei Juris, Rn. 24 f.).

Der Einwand des beklagten Landes, dass die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung durch das Landgericht Duisburg letztlich von dem Bundesgerichtshof mit Urteil vom 21.12.2006 bestätigt worden sei, führt ebenfalls nicht dazu, dass die Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland zu richten wäre. Auch wenn letztlich ein Bundesgericht mit der Sache ebenfalls beschäftigt war, ist die maßgebliche Entscheidung, die zu dem hier in Rede stehenden Freiheitsentzug geführt hat, eine Entscheidung des Landgerichts Duisburg und somit eines Gerichts des beklagten Landes. Für den Vollzug der Sicherungsverwahrung greift der Verweis auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 21.12.2006 erst recht nicht.

Der Verweis des beklagten Landes auf § 1 Abs. 1 Lastentragungsgesetz verfängt ebenfalls nicht. Auch nach dieser Vorschrift wird die Haftungsverteilung zwischen Bund und Ländern danach vorgenommen, in welchem Zuständigkeits- und Aufgabenbereich die lastenbegründende Pflichtverletzung erfolgt ist. Dies ist jedoch nach der vorstehenden Argumentation der Aufgabenbereich des beklagten Landes.

Das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen von Art. 5 Abs. 5 EMRK ist im Übrigen von dem Landgericht zutreffend dargestellt worden. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner maßgeblichen Entscheidung vom 04.05.2011 (BVerfGE 128, 326) dargestellt, dass eine Rechtfertigung sowohl der nachträglich verlängerten Sicherungsverwahrung, als auch der nachträglich angeordneten Sicherungsverwahrung praktisch nur in den Fällen einer psychischen Erkrankung nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 e EMRK in Betracht kommt. Demgegenüber würde eine Rechtfertigung nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 a EMRK oder Art. 5 Abs. 1 S. 2 c EMRK grundsätzlich ausscheiden. Das Vorliegen der Voraussetzungen von Art. 5 Abs. 1 S. 2 e EMRK wird jedoch auch von dem beklagten Land nicht vorgebracht.

Eine Rechtfertigung der Freiheitsentziehung nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 a EMRK liegt – wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat – nicht vor, weil die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung durch das Landgericht Duisburg mangels eigener Schuldfeststellung keine Verurteilung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 S. 2 a EMRK darstellt und ein hinreichender Kausalzusammenhang zwischen der ursprünglichen Verurteilung und der Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung nicht besteht.

Soweit das beklagte Land vorbringt, dass eine Entschädigungspflicht erst ab dem 10.05.2010 in Betracht komme, weil vorher die Konventionswidrigkeit von § 66 b StGB a.F. noch nicht endgültig festgestellt worden sei, greift dieser Einwand nicht, weil Art. 5 Abs. 5 EMRK eine verschuldensunabhängige Haftung regelt und es deshalb nicht auf die Kenntnis der tätigen Amtsträger von der Konventionswidrigkeit ankommt.

b) Hinsichtlich der Höhe der Entschädigung des Klägers für die konventionswidrig vollzogene Sicherungsverwahrung hat das Landgericht grundsätzlich zu Recht einen Betrag i.H.v. 500 € pro Monat angesetzt und somit für den geltend gemachten Zeitraum vom 22.05.2006 bis zum 28.02.2011 einen Gesamtentschädigungsbetrag i.H.v. 28.665 € zugesprochen.

Diese Entschädigungshöhe entspricht der Entschädigungspraxis des EGMR in vergleichbaren Fällen. Demgegenüber ist die von dem Kläger begehrte Entschädigung i.H.v. 25 € pro Tag übersetzt. Ein Anspruch in dieser Höhe ergibt sich insbesondere nicht aus einer direkten oder analogen Anwendung von § 7 Abs. 3 StrEG. Eine direkte Anwendung von § 7 Abs. 3 StrEG scheitert schon daran, dass die Anspruchsvoraussetzungen von §§ 1, 2 StrEG nicht gegeben sind. Es handelt sich hier nicht gemäß § 1 StrEG um einen Fall einer strafgerichtlichen Verurteilung, die im Wiederaufnahmeverfahren oder sonst, nachdem sie rechtskräftig geworden ist, fortgefallen oder gemildert worden wäre. Die Voraussetzungen von § 2 StrEG liegen darüber hinaus ebenfalls nicht vor, weil der Kläger nicht freigesprochen worden ist und gegen ihn auch nicht ein Verfahren eingestellt, bzw. nicht eröffnet worden ist.

Eine analoge Anwendung von § 7 Abs. 3 StrEG kommt – wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat – mangels planwidriger Regelungslücke nicht in Betracht. Zu Recht hat das Landgericht ausgeführt, dass der Gesetzgeber sich nur im Rahmen des Strafrechtsentschädigungsgesetzes und damit ausnahmsweise für eine Pauschalierung des Betrages der immateriellen Entschädigung entschieden habe. Darüber hinaus ist die Ermittlung der Höhe des immateriellen Schadens jedoch ebenfalls insoweit geregelt, als dass diese grundsätzlich im Ermessen des Tatrichters liegt, welcher nach Art, Schwere und Umfang der Beeinträchtigung unter Berücksichtigung vergleichbarer Fälle nach freiem Ermessen eine immaterielle Entschädigung festzulegen hat. Mangels planwidriger Regelungslücke kommt es an dieser Stelle für die Analogie von § 7 Abs. 3 StrEG auf die von dem Kläger besonders betonte Vergleichbarkeit von Strafe und Sicherungsverwahrung nicht an.

Die Festsetzung einer Entschädigung i.H.v. 28.665 € erscheint in diesem Fall ausreichend, aber auch erforderlich.

In der Rechtsprechung deutscher Gerichte hat sich bislang keine einheitliche Bemessung der Entschädigungshöhe für vergleichbare Fälle herausgestellt.

Das Oberlandesgericht Karlsruhe (Urteil vom 29.11.2012, 12 U 60/12) hat in einem Fall konventionswidriger Sicherungsverwahrung – ebenso wie das Landgericht Dortmund in 1. Instanz – in Anlehnung an die Entschädigungspraxis des EGMR einen Betrag von rund 500 € pro Monat für angemessen erachtet. Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 19.09.2013, III ZR 406/12) hat darin jedenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil des beklagten Landes gesehen.

Das Oberlandesgericht Schleswig (Beschluss vom 26.11.2001, 11 W 23/01) hat in einem Fall für rechtswidrig verhängte Abschiebungshaft in Anlehnung an die damalige Regelung in § 7 Abs. 3 StrEG 20 DM pro Tag für angemessen erachtet.

Das Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 27.12.2011, 10 W 14/11) hat in einem Fall für zu Unrecht erlittene Abschiebungshaft von knapp 2 Monaten 40 € pro Tag zur Kompensierung und Genugtuung für das erlittene Unrecht für angemessen erachtet. § 7 Abs. 3 StrEG biete nach dieser Entscheidung nur eine Orientierung.

Das Oberlandesgericht München (Urteil vom 22.08.2013, 1 U 1488/13) hat in einem Fall für rechtswidrig verbüßte Zurückschiebungshaft von rund einem Monat 30 € pro Tag für angemessen erachtet. Eine über den Tagessatz des § 7 Abs. 3 StrEG hinausgehende Entschädigung sei deshalb angemessen, weil § 7 Abs. 3 StrEG eine Entschädigung für rechtmäßige Haft gewähre, während Art. 5 Abs. 5 EMRK eine Entschädigung für rechtswidrige Haft zubillige.

Das Brandenburgische Oberlandesgericht (Beschluss vom 12.09.2013, 2 W 2/13) hat in einem Fall für rechtswidrige Abschiebungshaft von 11 Tagen 20 € pro Tag für angemessen erachtet. Die Beeinträchtigungen in diesem Fall blieben hinter dem typischen Fall zurück, da keine Stigmatisierung und kein Herausreißen aus dem sozialen Umfeld zu verzeichnen gewesen sei.

Demgegenüber hat sich eine stetige Rechtsprechung des EGMR entwickelt, wonach durchgängig rund 500 € pro Monat für Fälle konventionswidriger Sicherungsverwahrung in Deutschland als angemessen angesehen worden sind (Urteil vom 19.04.2012, 61272/09; Urteil vom 19.01.2012, 21906/09; Urteil vom 24.11.2011, 48038/06; Urteile vom 13.01.2011, 17792/07; 20008/07; 27360/04; 42225/07; Urteil vom 17.12.2009, 19359/04). Dabei ist der EGMR auch nicht von seiner stetigen Rechtsprechung abgewichen, als der Beschwerdeführer in einem Fall ausdrücklich auf die Regelung in § 7 Abs. 3 StrEG n.F. hingewiesen und danach 25 € pro Tag für angemessen angesehen hatte (Urteil vom 19.01.2012, 21906/09, Rn. 106 ff. = NJW 2013, 1791).

Es ist darüber hinaus davon auszugehen, dass die von dem EGMR zuerkannten Entschädigungen gemäß Art. 41 EMRK eine umfassende Kompensation der immateriellen Beeinträchtigungen zum Ziel hatten und demnach weitere Entschädigungsansprüche ausgeschlossen sind. Um die Möglichkeit, nach Art. 41 EMRK eine Entschädigung zu erlangen, nicht unzumutbar langwierig zu gestalten, legt der EGMR die Subsidiaritätsklausel aus Art. 41 EMRK seit jeher so aus, dass ein Anspruch aus Art. 41 EMRK nur dann hinter dem innerstaatlichen Recht zurücktritt, wenn dieses eine “vollständige Wiederherstellung des status quo ante” ermöglicht (Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Auflage 2013, 16. Teil, IV, 2.). Der EGMR spricht daher in ständiger Rechtsprechung nicht nur in Fällen unvollkommener nationaler Entschädigungsregelungen dem jeweiligen Beschwerdeführer eine gerechte Entschädigung zu, sondern auch dann, wenn nach innerstaatlichem Recht ein Entschädigungsanspruch gegeben ist. Das Vorhandensein eines solchen im nationalen Recht schließt die Anwendung von Art. 41 EMRK im Anschluss an die Feststellung einer Konventionsverletzung nicht aus, denn es wäre unzumutbar und mit dem Zweck des Menschenrechtsschutzes nicht vereinbar, einen Beschwerdeführer nach mehrjährigem Verfahren vor den Konventionsorganen erneut auf den innerstaatlichen Rechtsweg zu verweisen (Frowein/Peukert, EMRK, 3. Auflage 2009, Art. 41, Rn. 3; Meyer/Ladewig, EMRK, 3. Auflage 2011, Art. 41, Rn. 4). Dies gilt sogar dann, wenn innerstaatliches Recht hinsichtlich der festgestellten Konventionsverletzung nicht nur die Möglichkeit der Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs, sondern auch eine vollkommene Wiedergutmachung eröffnet. Selbst in diesen Fällen kann der EGMR unter Anwendung von Art. 41 EMRK eine gerechte Entschädigung zubilligen, wenn die Wiedergutmachung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Anspruch nach Art. 41 EMRK nicht erfolgte (Frowein/Peukert, a. a. O., Art. 41, Rn. 3; Meyer/Ladewig, a. a. O., Art. 41, Rn. 4). Dies ist insbesondere regelmäßig dann der Fall, wenn eine Verletzung von Art. 5 EMRK im Beschwerdeverfahren vor den Konventionsorganen festgestellt wird (Frowein/Peukert, a. a. O., Art. 5, Rn. 147).

Für eine umfassende Kompensation immaterieller Schäden durch Art. 41 EMRK spricht auch, dass die gemäß Art. 41 EMRK zuzusprechende gerechte Entschädigung mit der nach Art. 5 EMRK zuzusprechenden Entschädigung inhaltlich übereinstimmt, weil hinsichtlich immaterieller Schäden über Art. 5 Abs. 5 EMRK der Anwendungsbereich des § 253 Abs. 2 BGB im innerstaatlichen Recht eröffnet ist, welcher ebenfalls eine billige Entschädigung in Geld vorsieht. Bei der Bemessung der Entschädigungshöhe nach Art. 41 EMRK stellt der EGMR zudem regelmäßig insbesondere auf die Schwere und Intensität des Verstoßes, sowie auf das Verhalten des Verletzten nach der Schädigung ab (Ossenbühl/Cornils, a. a. O., 16. Teil, IV, 4.). Dabei handelt es sich um Aspekte, die auch bei der Bemessung des immateriellen Schadens nach § 253 Abs. 2 BGB zu berücksichtigen sind. Da der EGMR zudem in seinen vorgenannten Entscheidungen zu der konventionswidrigen Sicherungsverwahrung in Deutschland regelmäßig ausdrücklich eine Entschädigung wegen erlittenen Kummers und Frustration aufgrund des rechtswidrigen Freiheitsentzuges gewährt hat, ist nicht ersichtlich, wieso die angemessene Entschädigung aus Art. 41 EMRK hinter der Entschädigung aus Art. 5 Abs. 5 EMRK zurückbleiben sollte.

Unter Berücksichtigung dieser Aspekte würde eine Bemessung der billigen Entschädigung nach Art. 5 Abs. 5 EMRK auf 25 € pro Tag in Anlehnung an die Regelung in § 7 Abs. 3 StrEG zu einer Ungleichbehandlung des Individualbeschwerdeführers vor dem EGMR und dem Kläger vor dem innerstaatlichen Gericht führen, die nicht zu rechtfertigen ist.

Demgegenüber erscheint eine Ungleichbehandlung von Geschädigten, die sich zu Unrecht in Strafhaft befunden haben, und Geschädigten, die sich zu Unrecht in Sicherungsverwahrung befunden haben, vertretbar. Bei der Entschädigung nach dem Strafrechtsentschädigungsgesetz liegt der Fall anders als bei der konventionswidrigen Sicherungsverwahrung in der Regel so, dass der Geschädigte, der sich in Strafhaft befunden hat, unschuldig inhaftiert worden ist, wobei nicht übersehen wird, dass dies nicht zwingend ist, weil zum Beispiel bei Fällen der nachträglichen Strafmilderung oder der Einstellung des Verfahrens der Fall auch anders liegen kann. Darüber hinaus ist diese Inhaftierung in der Regel mit einer nicht unerheblichen Stigmatisierung des Geschädigten verbunden. Diese Stigmatisierung ist bei einem Sicherungsverwahrten, der ohnehin bereits in aller Regel eine jahrelange Strafhaft zu Recht verbüßt hat, im Vergleich minimal. Dazu kommt, dass der unschuldig in Strafhaft oder Untersuchungshaft Genommene nicht selten aus einem intakten Umfeld herausgerissen wurde, was eine weitere schwerwiegende Folge der nach § 7 Abs. 3 StrEG zu entschädigenden Inhaftierung darstellt. Diese Folge trifft den in der Regel seit Jahren zu Recht in Strafhaft und Sicherungsverwahrung befindlichen Sicherungsverwahrten nicht. Dabei dürfte die Erwägung, dass der nach dem Strafrechtsentschädigungsgesetz zu Entschädigende anders als derjenige, der sich in konventionswidriger Sicherungsverwahrung befunden hat, jedenfalls ursprünglich formell rechtmäßig inhaftiert gewesen ist, eine untergeordnete Rolle spielen, weil diese Gewissheit das Leid des unschuldig Inhaftierten, für welches er entschädigt werden soll, kaum lindern dürfte.

c) Allerdings muss sich der Kläger im Verhältnis zu dem beklagten Land gemäß § 422 Abs. 1 S. 1 BGB die von der Bundesrepublik Deutschland zur Erledigung des Individualbeschwerdeverfahrens vor dem EGMR unstreitig erhaltenen 12.000 € anrechnen lassen.

In dem Individualbeschwerdeverfahren des Klägers vor dem EGMR gemäß Art. 34 EMRK hat der Kläger mit Schreiben seines Anwalts vom 24.06.2013 sein Einverständnis zu der einseitigen Erklärung der Bundesrepublik Deutschland vom 22.05.2013 erklärt. Mit dieser einseitigen Erklärung hat sich die Bundesrepublik Deutschland bereit erklärt 12.000 € an den Kläger zu zahlen.

Die Entschädigung ist ausdrücklich zum Ausgleich immaterieller Schäden wegen der konventionswidrigen Sicherungsverwahrung des Klägers erfolgt. Insofern liegt eine Gesamtschuldnerschaft der Bundesrepublik Deutschland und des beklagten Landes gemäß § 421 BGB vor. Der Einwand des Klägers, dass es sich hier um 2 unterschiedliche Forderungen handeln würde, weil in dem einen Fall das legislative Unrecht des Bundes ausgeglichen werden solle und in dem anderen Fall das judikative, bzw. exekutive Unrecht des Vollzuges der Sicherungsverwahrung, greift demgegenüber nicht durch. Auch wenn es sich um 2 unterschiedliche “Tathandlungen” handelt, ist die Leistung die der Kläger zu beanspruchen hat, jedenfalls dieselbe. Dem Kläger soll der immaterielle Schaden ersetzt werden, den er durch die konventionswidrige Sicherungsverwahrung erlitten hat. Die Bundesrepublik Deutschland und das beklagte Land schulden danach jeweils eine Leistung in der Weise, dass jeder die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet ist, der Kläger aber die Leistung nur einmal zu fordern berechtigt ist. Dem Kläger steht nicht ein doppelter Ersatz seines immateriellen Schadens zu. Wie oben bereits dargestellt dient die Entschädigung nach Art. 41 EMRK der vollständigen Befriedigung des Geschädigten für den erlittenen immateriellen Schaden.

Das beklagte Land kann sich jedoch nicht darauf berufen, dass mit der Zahlung i.H.v. 12.000 € durch die Bundesrepublik Deutschland bereits alle Ansprüche des Klägers vollumfänglich abgegolten wären.

Diesbezüglich ist zunächst festzuhalten, dass es sich bei dem gezahlten Betrag nicht um eine von dem EGMR zuerkannte Entschädigung gemäß Art. 41 EMRK handelt, die nach den obigen Ausführungen eine vollständige Kompensation des erlittenen Unrechts bewirken sollte, und somit weitergehende Ersatzansprüche sperren würde. Die Zahlung ist in diesem Fall lediglich im Vergleichswege auf die einseitige Erklärung der Bundesrepublik Deutschland erfolgt. Insbesondere hatte der Kläger zuvor mit Schreiben vom 18.02.2013 (Anlage zum Schriftsatz vom 01.09.2014) den Vergleichsvorschlag des EGMR über 12.000 € als deutlich zu gering abgelehnt.

Darüber hinaus kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger mit seiner Zustimmung zu der einseitigen Erklärung der Bundesrepublik Deutschland einen Erlassvertrag schließen wollte, der gemäß § 423 BGB auch das beklagte Land umfassen sollte. In Zif. 3 der einseitigen Erklärung der Bundesrepublik Deutschland heißt es zwar ausdrücklich: “Die Bundesregierung ist bereit, eine Entschädigung in Höhe von 12.000 € an den Beschwerdeführer zu leisten, wenn der Gerichtshof das Individualbeschwerdeverfahren unter der Bedingung der Zahlung dieses Betrages gemäß Art. 37 Absatz 1 c) EMRK aus dem Register streicht. Damit würden sämtliche Ansprüche des Beschwerdeführers wegen etwaiger konventionswidriger Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, Kosten und Auslagen als abgegolten gelten.” In dem Einverständnis des Klägers mit dieser Erklärung liegt auch der Abschluss eines bedingten Erlassvertrages gemäß § 397 Abs. 1 BGB zwischen dem Kläger und der Bundesrepublik Deutschland. Dieser Erlass gilt jedoch nicht gemäß § 423 auch gegenüber dem beklagten Land. Dies wäre nach § 423 BGB nur der Fall, wenn die Vertragschließenden das ganze Schuldverhältnis aufheben wollten. Im Zweifel ist im Rahmen des § 423 BGB aber grundsätzlich nur von einer Einzelwirkung des Erlasses auszugehen (BGH, NJW 2000, 1942). Der Kläger hat jedenfalls nicht ausdrücklich erklärt, dass die Zustimmung zu dem Erlass gegenüber allen Gesamtschuldnern gelten sollte. Eine Auslegung der Erklärungen kann darüber hinaus auch aus Sicht der Bundesrepublik Deutschland nicht zu dem Ergebnis führen, dass der Kläger das gesamte Schuldverhältnis auch gegenüber dem beklagten Land aufheben wollte. Die Zustimmungserklärung des Klägers ist mit Schriftsatz vom 24.06.2013 erfolgt. Zu diesem Zeitpunkt war gerade das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Dortmund am 18.06.2013 verkündet worden. Mit diesem Urteil hat der Kläger einen Titel gegen das beklagte Land i.H.v. 28.665 € nebst Zinsen erhalten. Auch wenn nicht geklärt ist, ob dies dem Kläger zum Zeitpunkt der Erklärung vom 24.06.2013 schon bekannt war, so bestand doch zumindest die Aussicht des Klägers, dass er einen nicht unerheblichen Geldbetrag zugesprochen bekommen würde. Dass er zu diesem Zeitpunkt, zu dem er jederzeit mit dem Eingang des Urteils rechnen musste, auf sämtliche Ansprüche gegenüber dem beklagten Land verzichten wollte, obwohl er von der Bundesrepublik Deutschland nur einen Bruchteil des eingeklagten Betrages erhalten sollte, kann nicht angenommen werden.

2.

Der Anspruch des Klägers auf Prozesszinsen ergibt sich aus den §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Zulassungsvoraussetzungen gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Entscheidung des Senats betrifft zur Frage der Anrechnung der von der Bundesrepublik Deutschland gezahlten 12.000 € einen Einzelfall, der keine grundsätzliche Bedeutung besitzt. Von den Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte oder des Bundesgerichtshofs ist der Senat nicht abgewichen. Die Bemessung des immateriellen Schadens ist eine tatrichterliche Frage, die einer generellen revisionsrechtlichen Klärung nicht unterworfen ist (vgl. BGH, Urteil vom 19.09.2013, III ZR 405/12, Rn. 27, zitiert bei juris).