Das Oberlandesgericht Rostock hat in einem Fall (zwar Zivilrecht) sich für die Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht bei in Frage stehenden Werturteilen in zwei Stufen ausgesprochen. Die Meinungsfreiheit muss stets zurücktreten, wenn die Äußerung die Menschenwürde antastet oder sich als Formalbeleidigung oder Schmähung erweist. In diesen Fällen ist ein Unterlassungsanspruch gegeben, ohne dass es einer weiteren Abwägung der sich gegenüber stehenden Grundrechte bedarf. Erreicht die Äußerung nicht die Qualität einer Formalbeleidigung oder Schmähung, muss eine Abwägung der Schwere der Beeinträchtigung der Meinungsfreiheit mit der Schwere der Beeinträchtigung der kollidierenden verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgüter unter Einbeziehung der Umstände des Einzelfalls erfolgen. Hierbei spricht wegen der fundamentalen Bedeutung der Meinungsfreiheit für die demokratische Ordnung eine Vermutung für die freie Rede, wenn es um Beiträge zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage geht. Wird von dem Grundrecht nicht zum Zwecke privater Auseinandersetzung Gebrauch gemacht, sondern will der Äußernde in erster Linie zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen, dann sind Auswirkungen seiner Äußerungen auf den Rechtskreis Dritter zwar unvermeidliche Folge, nicht aber eigentliches Ziel der Äußerung (zuletzt BVerfG 12.5.2009, NJW 2009, 3016 ff; BVerfG 5.12.2008, NJW 2009, 749; MüKo Rixecker 6. Auflage Anh. zu § 12 BGB Rn. 156).
Urteil OLG Rostock vom 6. November 2013 2 U 12/13 Vorinstanz: LG Stralsund 6 O 98/12
Sachverhalt: Die Beklagte behauptete über den Kläger, dass dieser gewaltbereit sei. Einen Beweis hierfür konnte sie nicht erbringen. Das OLG Rostock hielt diese Äußerung nicht für eine Schmähkritik. Im Zuge der Interessensabwägung kam dann das OLG Rostock zu dem Ergebnis, dass das Persönlichkeitsrecht des Klägers hinter der Meinungsäußerungsfreiheit der Beklagten zurücktreten muss. Ausgeführt lautet dies in der Entscheidung des OLG Rostock: „Demgegenüber ist das Interesse der Beklagten höher zu bewerten, im Rahmen der ihr zustehenden Meinungsäußerungsfreiheit und in der politischen Auseinandersetzung die von ihr vertretene Auffassung, der Kläger sei für politische Mandate gerade wegen seiner Einstellung zu Gewalt ungeeignet, auch öffentlich und mit drastischen Formulierungen zu vertreten.“
Kurzum, wenn es mir „nur“ darum geht, deutlich zu machen, dass der andere meiner Meinung nach wegen der von mir angenommenen persönlichen Eigenschaft (die ich nicht nachweisen kann) in besonderer Weise für bestimmte Tätigkeiten in der Öffentlichkeit ungeeignet ist, bewegt sich meine Äußerung im Rahmen einer durch den anderen personifizierten Sachfrage und der andere ist in erster Linie nur als herausgehobenes Beispiel für eine als (von mir) politisch skandalös empfundenen Geisteshaltung bezeichnet worden. Dabei steht eben nicht im Mittelpunkt meiner Äußerung, den anderen jenseits der politischen / öffentlichen Sachfrage zu verunglimpfen bzw. zu diffamieren.
Uff! Ich hoffe, es hat jeder verstanden?
Ein großartiger Sieg für die Meinungsfreiheit. Warum diese Entscheidung keinerlei Auswirkungen auf die Amtsgerichte in diesem Bundesland bisher gefunden hat, werde ich in einem der nächsten Blog´s berichten. Die Entscheidung des OLG Rostock muss man erst einmal auf sich wirken lassen.
Ich bin jedenfalls baff! Es kann doch nicht sein, dass ich wirklich behaupten kann, was ich will. Das kann das OLG Rostock doch nicht ernsthaft so gemeint haben?
Thomas Penneke
Strafverteidiger Rostock