Fehldiagnose – 7 Jahre in Psychiatrie

Penneke 1Mit einem Sieg vor dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht [Beschluss vom 18. Juli 2013 – 1 Ws 257/13 (156/13)] im Sommer letzten Jahres war der Weg geebnet, dass ein Mensch nach sieben Jahren die Psychiatrie endlich wieder verlassen konnte. Psychiatrie bedeutet meist: lebenslänglich! Das sollte jeder bedenken.

 

Ich berichtete schon in sozialen Netzwerken, dass A. wegen einer Fehldiagnose auf Anordnung des Landgerichts Itzehoe in die Psychiatrie „eingeliefert“ wurde (§ 63 StGB). Damals war er noch Heranwachsender.

 

Im Zuge der jährlichen Anhörungen zu der Fortdauer der Maßregel von A. wurde ich von ihm als Verteidiger herangezogen. Der Kampf sollte bis zur obigen Entscheidung des Oberlandesgerichts zwei Jahre dauern. Ich zog einen anstaltsexternen und unabhängigen Gutachter bei, der in dem alten Gutachten eine Fehldiagnose feststellte. Das damals befasste Amtsgericht (Jugendrichter) wollte ein Obergutachten einholen und beauftragte einen weiteren Gutachter. Auch dieser stellte die Fehldiagnose fest.

 

Bei einer Anhörung wollte das nunmehr befasste Landgericht Lübeck Strafvollstreckungskammer A. nicht aus der Psychiatrie entlassen, obwohl jetzt schon zwei Gutachter die Fehldiagnose des damaligen Gutachters schriftlich als auch in Anhörungsterminen immer wieder belegen. Für die Kammer sollte der Fall eigentlich klar sein und die Maßregel sollte mindestens für erledigt erklärt werden. Trotzdem wurde der zweite bestellte Gutachter nicht geladen.

 

Unverständlich!

 

Der erste Gutachter wurde zum Privatgutachter musste A. auf eigene Kosten „ankarren“.

 

Unfassbar!

 

Beachtung fand er beim Gericht nicht. Sie ignorierten seine Ausführungen.

 

Unerklärlich!

 

Gegen die nicht nachvollziehbare Entscheidung des Landgerichts Lübeck legte ich sofortige Beschwerde ein und hatte Erfolg, weil die Kammer einen klaren Verfahrensfehler beging: „Der für die Zurückweisung aus Sicht des Senats entscheidende Ge-sichtspunkt liegt dabei in dem Umstand, dass die Strafvollstreckungskammer zunächst selbst ersichtlich Wert auf ein zusätzliches Gutachten des externen Sachverständigen K. gelegt hatte, dann aber die Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung ohne diesen Sachverständi-gen anzuhören, traf, obwohl der Sachverständige K. zuvor den Untergebrachten exploriert und der Verteidiger dessen „Kurzgutachten“ vom 11. Dezember 2012 zur Akte gebracht und sodann mit Schriftsatz vom 26. März 2013 beantragt hatte, auch den Sachverständigen K. persönlich zum Anhörungstermin zu laden. Vor diesem Hintergrund hätte sich die Strafvollstreckungs-kammer in Anbetracht der offenbaren Schwierigkeiten hinsichtlich der Anfertigung eines schrift-lichen Gutachtens durch den Sachverständigen K. nicht damit zufrieden geben dürfen, die an-stehende Entscheidung allein auf Grundlage der Einschätzungen des AMEOS Klinikums und des Sachverständigen D. zu treffen. Sie hätten den Sachverständigen K. jedenfalls – mit deutlichem Hinweis auf die Konsequenzen des Ausbleibens – zum Anhörungstermin laden müssen. Diesen Versuch weiterer Sachaufklärung hätte die Strafvollstreckungskammer insbesondere deshalb unternehmen müssen, weil der Sachverständige in entscheidenden Punkten offenbar grundlegend zu einer abweichenden Beurteilung der Person des Untergebrachten und der hieraus resultierenden Gefährlichkeit gekommen war. Eine möglichst umfassende Sachaufklärung war hier auch deshalb geboten, weil der Untergebrachte im Tatzeitpunkt noch Heranwachsender war, er also in verhältnismäßig jungen Jahren in den Maßregelvollzug gekommen war, dieser immerhin bereits seit 2008 andauert und die Anlasstaten nicht aus dem Bereich der schweren Kriminalität stammen, so dass die Frage der Verhältnismäßigkeit des weiteren Maßregelvollzu-ges im Laufe der Zeit in den Vordergrund rücken dürfte.“

 

Der Kammer war das Schicksal eines jungen Menschen völlig egal. Schön, dass das SH-OLG die Kammer zurechtgewiesen hat. Bravo!

 

Das Landgericht Lübeck erklärte mit Beschluss vom 7. Oktober 2013 (8 StVK 120/12) – auf meinen Antrag hin – die Maßregel für erledigt und ordnete die Entlassung meines Mandanten an. Er hat noch eine Übergangszeit, denn nach so langer „Inhaftierung“ (was anderes ist die Maßregel auch nicht) wäre es problematisch für den Mandanten gewesen, in der Freiheit sich zurechtzufinden. Darum gibt es eine Übergangsfrist, damit er alles organisieren konnte.

 

Damit kommt er klar und nach zwei Jahren war der Kampf von Erfolg gekrönt. Die Fehldiagnose und das damit einhergehende Fehlurteil bleiben zwar noch bestehen, aber ich betone „noch“!

 

Übrigens hatte der damalige Verteidiger gegen das Urteil nicht einmal Revision eingelegt. Es war ein Urteilsbegleiter vom Gericht. Da sieht man wieder, wohin das führt.

 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht

Thomas Penneke

www.penneke.de

 

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