Coronavirus: Richter angezeigt

Ein Anwalt hat einen Richter des Landgerichts München I wegen versuchter Körperverletzung angezeigt, weil er trotz der aktuellen Corona-Pandemie auf eine Verhandlung bestand. 

Der Richter habe „bewusst eine Gefahrenlage“ geschaffen und nahm „sehenden Auges in Kauf, dass sich die Anwesenden im Sitzungssaal einem erhöhten Ansteckungsrisiko aussetzen“, heißt es in der Anzeige des Rechtsanwaltes Thomas Pfister. Der Kollege Pfister sprach von einem „ungeheuerlichen Vorgang“.

Nach Angaben des Kollegen seien während der Verhandlung um versuchten Totschlag mehr als 50 Menschen im Gerichtssaal anwesend gewesen. „Eine derartige Anzahl von Personen wird nach allgemeiner Auffassung (…) als absolute Hochrisikoveranstaltung bezeichnet“, kritisierte er. Die gesamten Verteidiger hätten sich geweigert, den Sitzungssaal zu betreten, der Richter habe aber darauf bestanden, die Verhandlung zu beginnen. Pfister stellte daraufhin nicht nur Strafanzeige, sondern erstatte auch eine Dienstaufsichtsbeschwerde.

Der Gerichtssprecher wies die Vorwürfe gegen den Richter zurück. Die Justiz könne auch in Zeiten des sich rasant verbreitenden Coronavirus, nicht die Arbeit einstellen. Die Justiz sei in bestimmten Bereichen systemrelevant. Außerdem habe es keine Hinweise darauf gegeben, dass sich im Gerichtssaal ein infizierter Mensch aufhalte oder jemand, der Kontakt zu einem Infizierten gehabt habe.

Hierzu muss man sich fragen, wie das Gericht die Überprüfung des Publikums übernommen habe. Soweit bekannt, musste niemand zumindest eine Selbsterklärung ausfüllen und unterzeichnen.

Trotzdem ist der Vorstoß des Kollegen beachtlich, auch wenn nach meiner Auffassung eine versuchte gefährliche Körperverletzung nicht vorliegt bzw. nicht nachzuweisen sein wird.

  • Ist die Schwelle zum “Jetzt gehts los!” überschritten?
  • Haben wir ein Tatmittel?
  • Und wenn der Richter sich vorstelle, dass das Virus im Saal sei und er die Ansteckung anderer vorsätzlich (auch mit Eventualvorsatz) wolle und es doch nicht da gewesen ist, dann hätten wir ein untauglichen Versuch. Der wäre strafbar
  • Hatte dann der Richter einen Vorsatz?

Der untaugliche Versuch wäre also strafbar, aber ich glaube, dass es hier schon am Vorsatz scheitert.

Auch ich hatte mit einem Amtsgericht zu kämpfen, die die Verhandlung nicht aussetzen wollte. Dieses liegt zufällig auch in Bayern. Mein Antrag wurde lapidar mit einem Satz abgelehnt: “Die Hauptverhandlung findet wie geplant statt.” Erst als die Zeugen anriefen und “Stress” machten, hob das Gericht den Termin auf und terminierte neu.

Update 7:40 Uhr: Heute teilte mir eine Kollegin, die vom Corona betroffen ist, mit, dass sie deswegen auch angezeigt worden sei. Ich hoffe nur, dass das kein Kollege war.

Thomas Penneke

Rechtsanwalt / Fachanwalt für Strafrecht

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