Die schnell beigeordnete Pflichtverteidigerin

Penneke Strafverteidiger Rostock Strafrecht Thomas Penneke

Immer wieder ein Phänomen an deutschen Amtsgerichten: Die schnell beigeordnete Pflichtverteidigerin

 

Da hatten wir sie wieder (ich tausche mal die Geschlechter, damit das nicht zu typisch klingt 😉 ): die Haus- und Hofabnickerin am Amtsgericht. Woher sie kam und wohin sie geht und vor allem, ob sie überhaupt verteidigt? Sie kam aus dem NICHTS und tat: NICHTS.

 

Der fast 80 jährige Beschuldigte wird dem Haftrichter vorgeführt. Er sagt, dass er zur Zeit keinen Anwalt brauche, denn er kennt das hier alles schon. Er saß schon oft und weiß, was ein Haftbefehl ist, etc. pp. Der Staatsanwalt und der Richter bestehen drauf, dass er einen Verteidiger jetzt benennen soll. Der Beschuldigte weigert sich und fragt nach dem Sinn. Der Staatsanwalt blockt und meint, dass das hier doch nicht die Frage sei und plötzlich hat er an seiner Seite eine junge Anwältin sitzen.

 

Im ersten Moment war die Situation neben einer hübschen jungen Akademikerin zu sitzen (auch mit ihr kurz allein sprechen zu dürfen) für den Beschuldigten schön (fände ich auch 🙂 ). Bestimmt hat er die Minuten auf seine alten Tage genossen, eine “dämliche” Stimme zu hören. Doch dann besinnt er sich und sagt ihr gleich, dass er sie nicht braucht und er sich einen Strafverteidiger suchen wird.

 

Diese Information teilt die Pflichtverteidigerin dem Richter, der den Haftbefehl gegen den Senioren verkünden will, nicht mit. Im Termin kämpft der erfahrene Beschuldigte allein. Die Pflichtlerin tut, wie man ihr in ihrem Gerichtssprengel geheißen, nämlich: NIX.

 

Der Haftbefehl wird verkündet und der Beschuldigte wandert in Untersuchungshaft.

 

Der alte Mann schreibt an mich und bittet um dringende strafrechtliche Hilfe. Ich nehme das Mandat an. Beantrage sofort eine Haftprüfung und erhalte Akteneinsicht. Ich agiere sofort! Ich besuche ihn! Ich erarbeite die erste Verteidigungsstrategie!

Die Pflichtverteidigerin hat bis zu dem Tag (3 Wochen vergangen) nichts weiter gemacht. Sie hat den armen Tropf noch nicht einmal besucht. Ich teile der Kollegin mit, dass sie nichts mehr unternehmen soll, da ich ab jetzt verteidige (im Klartext: sie soll mir nicht dazwischen pfuschen!!!).

 

Was macht die Dame? Sie reist 4 Tage nach meiner Mail zum Mandanten in die JVA und befragt ihn dort. Nicht, wie und ob sie ihn noch verteidigen soll, sondern, wie er auf mich kommt und warum ich das besser machen soll als sie. Der alte Gentleman teilt Ihr mit, dass er nichts gegen sie habe. Ich kann mir das schon richtig vorstellen, wenn ein gestandener alter Mann, der ihr Großvater sein könnte, der Pflichtverteidigerin schonend beibringen, also sie nicht kränken will, dass er an ihrem Einsatz zweifelt.

 

Danach schreibt die Pflichtlerin dem Gericht einen Brief und nimmt Stellung zu meinen Anträgen. Bisher hatte ich dem Antrag auf Wechsel des Pflichtverteidigers nichts negatives über die Kollegin gesagt. Ich berief mich einfach auf § 142 StPO und dass dieser vom Amtsgericht nicht eingehalten wurde. Darin heißt es, dass der Beschuldigte sich seinen Anwalt wählen kann und er darauf hinweisen ist. Über diesen Umstand stand nichts im Protokoll der Haftverkündung und darauf berief ich mich. Ich greife keine Kollegen an. In ihrer Stellungnahme stellte die Pflichtlerin aus ihrer Sicht klar, was der Beschuldigte (bis dahin auch immer noch ihr Mandant! und dessen Interessen sie zu vertreten hat) im Haftverkündungstermin gesagt habe und was nicht.

 

Der alte Mann ist erbost. Weder der junge Richter, der Staatsanwalt (wir sind ganz spezielle “Freunde”) noch die Pflichtverteidigerin (seine !!! Verteidigerin) wollen gehört habe, wie er sich zum Thema Pflichtverteidigung im Haftverkündungstermin geäußert hat. Vielmehr stellt der Richter mir gegenüber noch lächelnd klar, dass der Beschuldigte der Beiordnung einer Pflichtverteidigerin (die er nicht kannte) nicht ausdrücklich widersprochen habe. 😮 Ich lachte und meinte, dass es so etwas wie eine konkludente Einwilligung hier nicht gebe.

 

Die Entpflichtung erfolgte nicht, obwohl die bisherige Pflichtverteidigerin dem Wechsel zugestimmt hatte. Ach ja, dann meinte sie noch zum Schluss den Richter daraufhinweisen zu müssen, dass sie dem Wechsel auch nur zustimmt, wenn  der Landeskasse keine Mehrkosten entstehen. 😮

 

In dem Moment dachte ich, dass das bei der Kollegin aushakt. Das ist doch eine Erklärung, die nicht sie als Bedingung stellen kann. Sie kam von irgendwoher und sie ging nach eingelegter Beschwerde durch mich irgendwohin.

 

Wieder ein Beispiel für den Haus – und Hofabnicker: Nichts tun, aber weiter “mitspielen” wollen.  :-/

 

Erfolg hat (aber) drei Buchstaben: TUN!

 

Thomas Penneke

Fachanwalt für Strafrecht

 

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