Der Zweifelsgrundsatz gilt auch bei der Strafzumessung

Kann das Gericht keine sicheren Feststellungen über die Folgen der Tat treffen, darf sich dies nicht zulasten des Angeklagten auswirken (Beschluss vom 8. Oktober 2020 – 6 StR 307/20).

Die Entscheidung ist jetzt erst veröffentlicht worden.

Entscheidung des Landgerichts Rostock 

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Missbrauchstaten nach § 176a StGB zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt (Rostock, LG, 05.05.2020 – 425 Js 5552/18 12 KLs 163/19 jug (3)

Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Der Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Zwar nimmt der Senat die Ausführungen der Strafkammer zum Nichtvorliegen des minder schweren Falls noch hin. Durchgreifend rechts-fehlerhaft ist aber, dass die Strafkammer strafschärfend gewertet hat, es könne „nicht ausgeschlossen werden, dass das geschädigte Kind infolge der sexuellen Übergriffe seelische Schäden erlitten hat“. Diese Ausführungen lassen besorgen, dass die Strafkammer den Zweifelssatz nicht beachtet hat, der uneingeschränkt auch für strafzumessungsrelevante Tatsachen gilt. Kann das Gericht keine sicheren Feststellungen über die Folgen der Tat treffen, darf sich dies nicht zulasten des Angeklagten auswirken (vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. Juli 2019 – 4 StR 194/19, NStZ 2020, 345; vom 20. August 2003 – 2 StR 285/03, NStZ-RR 2004, 41, 42). Der Senat kann nicht völlig ausschließen, dass die ohnehin sehr milden Strafen von dem aufgezeigten Rechtsfehler beeinflusst worden sind. Der Wegfall der Einzelstrafen zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich. Die Feststellungen können bestehen bleiben, weil es sich lediglich um einen Wertungsfehler handelt. 

Eine Segelanweisung gab es aber mit auf den Weg:

Das neue Tatgericht ist nicht gehindert, ergänzende, den bisher getroffenen nicht widersprechende Feststellungen zu treffen.

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