Keine hohen Anforderungen an die Überzeugungsbildung des Gerichts nötig?

Landgericht RostockDas Gericht soll sich eine Überzeugung von dem tatsächlichen Sachverhalt verschaffen. Hierbei nimmt das Gericht Beweise auf, die die Staatsanwaltschaft ermittelt hat und vernimmt Zeugen, befragt den Angeklagten (oder dessen Verteidiger). Aus all diesem bildet das Gericht sein Urteil nach seiner (!) Überzeugung. Die Staatsanwaltschaft Rostock war der Meinung, dass hierbei das Gericht sich selbst zu hohen Anforderungen gestellt hätte. Was soll man davon halten?

 

Sachverhalt: Der Angeklagte soll in seiner Wohnung 38 Marihuanapflanzen versucht haben aufzuziehen. Die Pflanzen waren noch nicht ausgewachsen, teilweise vergammelt oder schimmelten. Der THC – Gehalt reichte im Sinne des § 29 a BtmG. Der Angeklagte gestand den Anbau. Er bestritt jedoch die Pflanzen zur Aufzucht besessen zu haben, um später mit Marihuana zu handeln. Der als drogensüchtig gerichtsbekannte Angeklagte wollte die “überlebenden” Pflanzen für den Eigengebrauch haben. Die Preise draußen waren ihm zu teuer und er wollte nicht mehr mit dem Handeln seinen Drogenkonsum finanzieren. Bei einer durchgeführten Hausdurchsuchung wurde lediglich eine (uralte) Feinwaage und die Pflanzen sichergestellt. Bargeld war in der Wohnung nicht vorhanden. Eine Aufzeichnung mit “Zahlen” in einem Terminkalender konnte inhaltlich nicht aufgeklärt werden. Vom Amtsgericht wurde der Angeklagte wegen Besitzes von Betäubungsmitteln (soweit auch unstreitig) zu einer unbedingten Freiheitsstrafe verurteilt. Dagegen richtet sich die Berufung der Staatsanwaltschaft Rostock.

Die Staatsanwaltschaft war folgender Ansicht: “Ausweislich der Urteilsfeststellungen hat das Amtsgericht erkannt, dass sowohl die Menge der sichergestellten BtM als auch die Notizen im sichergestellten Kalender des Angeklagten (sogenannte Schuldeneinträge) dafür sprechen, dass der Angeklagte Handel mit Betäubungsmitteln treibt. Allerdings hat sich das Amtsgericht bei seiner Entscheidung letztlich zu Unrecht davon leiten lassen, dass der Angeklagte ein Handeltreiben bestreitet, nicht völlig auszuschließen sei, dass der Angeklagte die Betäubungsmittel für den Eigenkonsum herstellt und zudem weitere Hinweise auf ein Handeltreiben, wie Bargeldsummen etc. fehlen würden. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft hat das Gericht zu hohe Anforderungen an die eigene Überzeugungsbildung gestellt.”

Ob dies heißen soll, dass sich das nächste Gericht mit der Sachverhaltsaufklärung nicht so anstrengen soll? Gerade das Amtsgericht kam zu der Überzeugung, dass es sich nicht um Schuldeneinträge im Kalender gehandelt hat. Der Angeklagte lies erklären, dass die Feinwaage aus Altbeständen stamme, die bei der ersten Hausdurchsuchung nicht sichergestellt worden war. Die Beamten berichteten, dass die Wohnung des Angeklagten unaufgeräumt gewesen war und die Waage irgendwo hinten im Schrank gefunden wurde.

 

Zu einer Verhandlung im eigentlichen Sinne kam es (leider) nicht. Ich durfte keine Zeugen “quälen”. 😉

 

Beide Berufungen wurden (auch auf ausdrücklichen Wunsch des Angeklagten) zurückgenommen.

 

Thomas Penneke

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