Mehr Rechte im Berufungsverfahren

Penneke StPO

Änderung der Strafprozessordnung kommt!

 

Nach § 329 Absatz 1 Satz 1 der Strafprozessordnung (StPO) ist eine Berufung  des Angeklagten ohne Verhandlung zur Sache zu verwerfen, wenn der Angeklagte  zu Beginn der Berufungshauptverhandlung ohne genügende Entschuldigung  nicht erscheint. Derzeit gilt dies auch dann, wenn für ihn ein Verteidiger  mit schriftlicher Vertretungsvollmacht erschienen ist, jedoch keiner der wenigen  Ausnahmefälle vorliegt, in denen die Strafprozessordnung eine Vertretung des  Angeklagten im Hauptverhandlungstermin zulässt.

 

Mit Urteil vom 8. November 2012 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in der Rechtssache Neziraj ./. Bundesrepublik Deutschland (Nummer 30804/07; nicht amtliche Übersetzung des Urteils in die deutsche Sprache) entschieden, dass die Verwerfung einer Berufung nach § 329 Absatz 1 Satz 1 StPO im Fall des Erscheinens eines Verteidigers als Vertreter des Angeklagten eine Verletzung des durch Artikel 6 Absatz 1 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten  (EMRK) garantierten Rechts auf ein faires Verfahren in Verbindung mit dem  durch Artikel 6 Absatz 3 Buchstabe c EMRK garantierten Recht des Angeklagten,  sich durch einen Verteidiger seiner Wahl verteidigen zu lassen, darstelle.
Am 26. Februar 2009 hat der Rat der Europäischen Union ferner den Rahmenbeschluss  (Rb) 2009/299/JI (im Folgenden auch Rb Abwesenheitsentscheidungen)  zur Änderung der Rahmenbeschlüsse 2002/584/JI, 2005/214/JI,   2006/783/JI, 2008/909/JI und 2008/947/JI, zur Stärkung der Verfahrensrechte  von Personen und zur Förderung der Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen  Anerkennung auf Entscheidungen, die im Anschluss an eine Verhandlung  ergangen sind, zu der die betroffene Person nicht erschienen ist (ABl. L 81 vom  27. März 2009, Seite 24) verabschiedet. Der Rb Abwesenheitsentscheidungen  hat zum Ziel, die Regelungen der gegenseitigen Anerkennung beziehungsweise  der Vollstreckung von Abwesenheitsentscheidungen, die bereits in den Instrumenten  zur gegenseitigen Anerkennung justizieller Entscheidungen vorhanden  sind, zu ergänzen und zu vereinheitlichen und damit die Rechte der betroffenen  Person zu stärken.
Quelle: BT Drs. 491/14

Gesamter Entwurf hier

 

Es nennt sich dann wohl “Gesetz zur Stärkung des Rechts des Angeklagten auf Vertretung in der Berufungsverhandlung und über die Anerkennung von Abwesenheitsentscheidungen in der Rechtshilfe”. Mit dem Gesetz soll kein Recht auf Abwesenheit etabliert werden; grundsätzlich soll der Angeklagte zur Anwesenheit in der Hauptverhandlung verpflichtet bleiben (Begründung, BT-Drs. 18/3562, S. 48).

 

Wir können gespannt warten, wie das Gesetz dann gehandhabt wird.

 

Thomas Penneke