Wer in Selbsttötungsabsicht einen schweren Autounfall verursacht, ist nicht zwangsläufig wegen versuchten Mordes zu verurteilen, auch wenn er unmittelbar nach der Tat mitteilt, dass es ihm egal gewesen wäre, wenn weitere Personen bei einem erhofften Unfall zu Schaden kommen (BGH, Urteil vom 04.02.2021 – 4 StR 403/20).
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Revision der Generalbundesanwaltschaft in einem Fall zurückgewiesen, in dem ein alkoholisierter Autofahrer sich umbringen wollte, indem er mit 120 km/h in eine Kreuzung raste.
Sachverhalt: Ein Mann, der im Jahr 2019 sein Leben als zunehmend aussichtslos empfand, fasste auf einer Trunkenheitsfahrt den Entschluss, Selbstmord zu begehen. Er fuhr nicht angeschnallt und ohne Vorfahrtberechtigung mit 120 km/h in eine Kreuzung hinein. Dabei war es ihm gleichgültig, ob eine weitere Person verletzt werden könnte. Er kollidierte mit einem Kleintransporter, dessen Fahrerin Prellungen und Schnittwunden davontrug. Das Landgericht Verden bewertete sein Verhalten als versuchten Totschlag in Tateinheit unter anderem mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs und verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren. Der Angeklagte wehrte sich gegen die Verurteilung wegen Totschlages und die Staatsanwaltschaft forderte vom Bundesgerichtshof die Bewertung der Tat als Mord. Beides lehnte der BGH ab.
Es kann ein versuchter Totschlag sein
Die Würdigung des festgestellten Tatgeschehens durch das Landgericht als versuchter Totschlag ist nicht zu beanstanden, denn zwar sei das eigentliche Ziel des Täters gewesen, sich selbst umzubringen. Doch dabei habe er aber auch billigend in Kauf genommen, dass ein Beteiligter zu Tode kommen könnte.
Keine Verwirklichung von Mordmerkmalen
Entgegen der Ansicht der Generalbundesanwaltschaft habe der Täter jedoch nicht heimtückisch gehandelt. Ein absichtliches Ausnutzen der Arg- und Wehrlosigkeit der Verletzten sei nicht erkennbar gewesen. Insbesondere die Spontaneität des Entschlusses und die psychische Verfassung sprechen laut BGH für das Fehlen dieses spezifischen Bewusstseins.