Fall Leonie: Kein Verdeckungsmord, aber Segelanweisung des BGH

Nach ständiger Rechtsprechung fehlt es an einer für das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht erforderlichen „anderen” Straftat, wenn der Täter das Tatopfer zunächst mit (bedingtem) Tötungsvorsatz misshandelt und es anschließend unterlässt, zur Verdeckung dieses Geschehens Maßnahmen zur Rettung des überlebenden Opfers einzuleiten, selbst wenn zwischen dem Handlungs- und Unterlassensteil eine zeitliche Zäsur liegt.

Die sechsjährige Leonie aus Torgelow in Mecklenburg-Vorpommern war nach den Feststellungen des Landgerichts Neubrandenburg gewaltsam zu Tode gekommen. Das Landgericht hatte den Angeklagten wegen “Mordes durch Unterlassen“ in Tateinheit mit Körperverletzung mit Todesfolge und schwerer Misshandlung von Schutzbefohlenen sowie wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen in zwei Fällen zu einer lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt.

Laut Urteil hatte der Stiefvater dem Mädchen mit einem Sicherungsbügel mehrfach gegen den Kopf geschlagen und es schwer verletzt. Als die Mutter vom Einkauf zurückgekommen sei, soll der Stiefvater verhindert haben, dass sofort Hilfe geholt wurde.

Das Landgericht hatte auf Seite 59 der Urteilsausfertigung folgenden Satz in den Gründen platziert: „Inwieweit er zu diesem Zeitpunkt allerdings schon ihren Tod billigend in Kauf genommen hat, konnte die Kammer nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit feststellen“

Damit habe das Landgericht gezeigt, dass sie wohl den Grundsatz “in dubio pro reo” nicht beachtet habe.

Nach ständiger Rechtsprechung fehlt es an einer für das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht erforderlichen „anderen” Straftat, wenn der Täter das Tatopfer zunächst mit (bedingtem) Tötungsvorsatz misshandelt und es anschließend unterlässt, zur Verdeckung dieses Geschehens Maßnahmen zur Rettung des überlebenden Opfers einzuleiten, selbst wenn zwischen dem Handlungs- und Unterlassensteil eine zeitliche Zäsur liegt (vgl. BGH, Beschluss vom 21. April 2009 – 1 StR 73/09, NStZ-RR 2009, 239; Urteil vom 14. Dezember 2006 – 4 StR 419/06, StraFo 2007, 123, 124; Urteil vom 12. Dezember 2002 – 4 StR 297/02, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Verdeckung 15).

Danach sei eine Verurteilung wegen Verdeckungsmordes auszuscheiden gewesen, wenn der Angeklagte – so wie die Feststellungen des Landgerichts es zeigen – bereits die Vortat mit Tötungsvorsatz begangen hätte. Diese Möglichkeit hat das Landgericht Neubrandenburg nicht ausgeschlossen und deswegen sei das Urteil aufzuheben und die Sache neu zu verhandeln

Segelanweisung des BGH

Die Feststellungen, die nicht von dem Rechtsfehler betroffen sind, können aufrecht erhalten bleiben. Die nun ergänzend zu treffenden Feststellungen sollen nicht im Widerspruch zu den bestehenden Feststellungen stehen.

Übersetzung: Macht das ordentlich. Die Verurteilung des Angeklagten ist soweit in Ordnung. Widersprecht Euch nur nicht im neuen Urteil.

Das neue Tatgericht wird für den Fall, dass Tötungsvorsatz schon im Zeitpunkt der Schläge festgestellt wird, das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe in den Blick zu nehmen haben.

Übersetzung: Verurteilt ihn nicht wegen VErdeckungsmordes. Die Feststellungen passen doch besser auf das andere Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe. Verurteilt des Angeklagten mit diesem Grund wegen Mordes.

Thomas Penneke

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