Fristlose Entpflichtung eines Soldaten rechtens

Die Dienstpflicht eines Soldaten umfasst nicht nur die Pflicht, die freiheitlich-demokratische Grundordnung anzuerkennen, sondern auch für ihren Erhalt einzutreten.

Die über einen längeren Zeitraum aufrechterhaltene Mitgliedschaft in einer Chatgruppe, in welcher die Verbrechen der NS-Diktatur verharmlost, gebilligt und verherrlicht sowie in hohem Maße rassistische und diskriminierende Inhalte geteilt werden, ist mit dieser Verpflichtung unvereinbar.

Der Umstand, dass der Kläger die Gruppe weder verlassen noch in sonstiger Weise zu erkennen gegeben hat, dass er die Inhalte missbilligte, rechtfertigt den Schluss, dass er nicht in hinreichendem Maße für die demokratische Grundordnung eintritt. 

Es ist auch nicht entscheidend, dass es sich um eine nicht-öffentliche Gruppe gehandelt hat. Es genügt bereits die hier bestehende hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass die Dienstpflichtverletzung öffentlich bekannt werden kann und das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährdet. 

Verwaltungsgericht Hannover Urteil vom 9. November 2022 2 A 3031/21

Ich fasse es kurz noch einmal zusammen:

Der Soldat hat für nicht nur ein Lippenbekenntnis als Treue abzugeben. Er hat alles zu unterlassen, was mit der Verpflichtung zur Treue unvereinbar ist. Sollte der Soldat in eine Situation kommen, die seine Treue in Frage stellen könnte, hat er diese zu verlassen. Denn der Soldat muss immer damit rechnen, dass das Ansehen der Bundeswehr durch sein Handeln (egal ob öffentlich oder nichtöffentlich) beschädigt werden kann.

Noch kürzer: Ein Lippenbekenntnis als Treue genügt nicht. Man muss sich auch gemäß seiner Verpflichtung verhalten.

Sachverhalt

Der Kläger ist als Soldat auf Zeit für vier Jahre in die Bundeswehr eingetreten. Sein Dienstgrad ist Gefreiter. Im Oktober 2020 erhielt seine Dienststelle Kenntnis davon, dass er Mitglied in einer WhatsApp-Gruppe war, in der Fotos, Memes und auch Videos mit sittenwidrigen, rassistischen und pornographischen Inhalten geteilt worden sind. Es fand eine Durchsuchung bei dem Soldaten statt. Insbesondere die Durchsuchung seines Mobiltelefons förderte weitere einschlägige Mediendateien zutage.

Es folgt die Entpflichtung

Mit dem angegriffenen Bescheid vom 18. Januar 2021 entließ die beklagte Bundesrepublik Deutschland den Kläger fristlos aus dem Dienstverhältnis. Die Entscheidung wurde damit begründet, dass der Kläger seine Dienstpflichten verletzt habe und sein Verbleib das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährden würde.

Wie sieht es der Soldat?

Der Soldat begründete seine gegen diese Entscheidung gerichtete Klage im hauptsächlich damit, dass er sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekenne. DAs zeige auch sein vielseitiges soziales Engagement. In der Chatgruppe sei es für ihn um “Schwarzen Humor” gegangen. Jetzt bedauere er Mitglied dieser Gruppe gewesen zu sein.

Und das Gericht?

Das Gericht ist seinen Argumenten nicht gefolgt. Die Begründung liest sich, wie oben im ersten Absatz beschrieben. Die Verpflichtung des Soldaten kann auch nicht nur auf einem Lippenbekenntnis beruhen. Er hat sich auch dafür einzusetzen, dass die Grundordnung bewahrt wird. Dabei wird fragliches Handeln des Soldaten auch “fraglich” gestellt. Wenn er, wie hier, sogar aktiv sich an Handlungen auch im nichtöffentlichen Bereich beteiligt, rechtfertigt dies die Entpflichtung.

Letzteres ist vor allem vor dem Hintergrund verständlich, dass in letzter Zeit sogenannte “Leaks” von Gruppenchats durch die Presse veröffentlicht wurden. Dabei ist uninteressant, ob diese legal oder illegal beschafft wurden. Der Schaden am Image der Bundeswehr ist dann da. Dieser soll vermieden werden.

Deswegen noch einmal: Ein Lippenbekenntnis als Treue genügt nicht. Man muss sich auch gemäß seiner Verpflichtung verhalten.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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