BVerfG kippt BGH: Kein Vermögensschaden, keine Erpressung

Das BVerfG hat die Verwerfung einer Revision durch den BGH aufgehoben, weil nicht erkennbar war, worin der behauptete Vermögensschaden liegen sollte – ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG (Beschluss vom 09.04.2025 – 2 BvR 1974/22).

Eine brutale Attacke im Tattoostudio – mit Schlagwerkzeugen und Möbelstücken. Trotzdem ist nicht jede Gewalttat gleich eine räuberische Erpressung. Das BVerfG bremst den BGH: Ohne konkreten Vermögensschaden gibt es keinen Straftatbestand – und auch keine einfache Revisionserledigung.

Sachverhalt

Zwei Männer planten, gemeinsam ein Tattoostudio zu betreiben. Doch einer wurde noch vor Eröffnung festgenommen. Der andere machte alleine weiter. Es kam zum Streit. Der Festgenommene wollte seine Anteile zurück, am liebsten mitsamt Name und Logo des Studios. Als sein Partner nicht einlenkte, schickte er eine Gruppe Männer, die den Betreiber unter Gewaltanwendung zur Abtretung zwangen. Dieser unterzeichnete blutend eine entsprechende Erklärung.

Ein Beteiligter wurde vom LG Mannheim wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung verurteilt. Seine Revision verwarf der BGH mit der Begründung, sie sei „offensichtlich unbegründet“. Doch das BVerfG kassierte diese Entscheidung nun.

Entscheidung / Auswirkungen

Laut BVerfG genügt es nicht, eine Revisionsrüge einfach abzutun – vor allem, wenn der zentrale Begriff des Vermögensschadens nicht belegt wurde. Das LG habe weder konkret benannt, worin der Schaden bestehen sollte, noch wie sich der Beschuldigte diesen vorgestellt habe.

Weder sei dargelegt worden, dass Name und Logo vermögenswerte Rechte darstellten, noch sei nachvollziehbar gemacht worden, welche finanziellen Einbußen dem geschädigten Studioinhaber entstanden wären. Selbst Investitionen in den Umbau reichten nicht aus, wenn unklar bleibt, ob der Täter mit einem schadensbegründenden Szenario rechnete.

Der BGH muss nun prüfen, wie mit diesem verfassungswidrigen Verstoß umzugehen ist – ob also das Urteil aufgehoben wird oder nur einzelne Feststellungen. Ausnahmsweise wurde der Fall deshalb nicht an das LG zurückverwiesen, sondern direkt an den BGH.

Meinung und Schluss

Ein Tattoostudio, Gewalt, Schlagwerkzeuge – klingt nach klarer Sache. Doch Strafrecht ist kein Western. Der Staat darf nicht einfach zuschlagen, nur weil’s blutig war. Ohne bezifferbaren Vermögensschaden gibt’s keine Erpressung – und ohne Prüfung der Argumente auch keine „offensichtlich unbegründete“ Revision.

Dass das BVerfG hier korrigierend eingreift, ist ein Signal: Selbst bei brutalen Taten bleibt das Strafrecht an seine eigenen Maßstäbe gebunden. Tatentschluss ersetzt keine Buchhaltung – und das Bestimmtheitsgebot ist kein bürokratisches Beiwerk, sondern Fundament der Strafjustiz.

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