Ein Abweichen von dem bei einer überlangen Verfahrensdauer vorgesehenen pauschalen Entschädigungssatz ist nicht allein deshalb nach § 91 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 WDO i. V. m. § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG geboten, weil der Gesamtbetrag die im Ausgangsverfahren streitgegenständliche Disziplinarbuße übersteigt.
Die Geldbuße wird auch nicht mit dem Entschädigungsbetrag verrechnet.
(Urteil vom 28.08.2024 – 2 WA 1.24)
Sachverhalt
Ein Kommandant der deutschen Marine erhielt 2018 eine Disziplinarbuße von 2.500 Euro. Grund war ein Unfall an Bord eines Marineschiffs, bei dem ein unabsichtlich abgegebener Schuss einen Kameraden verletzte. Der Kommandant hatte den Vorfall weder gemeldet noch korrekt dokumentiert und sogar versucht, den Leitenden Sanitätsoffizier zu einer beschönigten Darstellung zu bewegen.
Der Soldat legte gegen die Buße Beschwerde ein, doch das Verfahren zog sich aufgrund der Überlastung des Truppendienstgerichts unglaubliche 61 Monate hin. Trotz wiederholter Verzögerungsrügen seines Anwalts blieb das Verfahren blockiert. Schließlich klagte der Soldat 2023 beim Bundesverwaltungsgericht auf Entschädigung wegen der langen Verfahrensdauer.
Entscheidung
Das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 28.08.2024 – 2 WA 1.24) hielt eine Entschädigung von 4.100 Euro für angemessen. Zwar habe der Marinekommandant durch die verspätete Begründung seiner Beschwerde 4 Monate Verzögerung selbst verschuldet, dennoch sei das Verfahren insgesamt um 41 Monate zu lange gelaufen.
Die Richter lehnten es ab, den Entschädigungsbetrag aufgrund der vergleichsweise niedrigen Buße zu kürzen. Maßgeblich sei allein die unverhältnismäßige Verfahrensdauer. Die Überlastung des Gerichts könne hierfür keine Rechtfertigung sein, ebenso wenig wie der Verweis auf die pandemiebedingten Umstände.
Meinung und Schluss
Das Urteil zeigt, dass selbst kleine Disziplinarbußen hohe Entschädigungen nach sich ziehen können, wenn Gerichte ihrer Pflicht zur zeitnahen Bearbeitung nicht nachkommen. Doch wer profitiert hier wirklich? Der Marinekommandant erhält eine Entschädigung, obwohl sein eigenes Verhalten maßgeblich zur Eskalation beigetragen hat. Den Unfall verschweigen, die Berichte fälschen – das alles wurde nie ernsthaft geahndet, weil das Verfahren vor lauter Verzögerung kollabierte.
Sie fragen sich gewiss, ob das nicht ein falsches Signal sendet. So in der Art: Wer lange genug wartet, wird belohnt – unabhängig von den eigenen Verfehlungen.
Die Entschädigung für die Verfahrensdauer mag juristisch korrekt sein, doch sie verdeckt die eigentlichen Probleme. Eine Reform der Wehrgerichtsbarkeit scheint überfällig, wenn solche Verzögerungen zur Regel werden. Ich denke, dass gilt auch für die anderen Gerichtsbarkeiten.
Ganz meiner Meinung…Es macht einen seelisch kaputt