Ausschluss eines Richters § 22 StPO

Penneke GüstrowDer Beitrag beschäftigt sich heute mit einem Beschluss des Amtsgerichts Güstrow aus dem letzten Jahr. Hierbei wird die Sachverhaltskonstellation beleuchtet und Tipps für Verteidiger und Richter abgegeben. Vielleicht ein Beitrag auch zur Diskussion? 😉

 

 

 

 

Tenor:

Auf die Selbstanzeige vom 19. Dezember 2012 wird der Richter am Amtsgericht K. von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen.

 

Gründe:

 

“Aufgrund der mitgeteilten Angaben war festzustellen, dass der zuständige Richter von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen ist.

 

Zwar setzt § 22 Abs. 5 StPO voraus, dass der Richter als Zeuge vernommen worden ist. Die bloße Absicht der Vernehmung genügt nicht.

 

Das Gericht hält aber die entsprechende Anwendung dieser Vorschrift dann für geboten, wenn der zur Entscheidung berufene Richter in einer dienstlichen Äußerung mitteilt, dass er seine Vernehmung für wahrscheinlich hält aufgrund der von ihm nach Aktenlage vernommenen Würdigung der Tatvorwürfe und des bisherigen Ergebnisses der Ermittlungen. Entsprechend hat sich Richter am Amtsgericht K. in seiner Selbstanzeige vom 19.12.2012 geäußert.

 

In diesen Fällen ist die Anwendung von § 22 Abs. 5 StPO in entsprechender Anwendung geboten (so auch AG Brandenburg Beschluss vom 14.10.2007, Az. 24 Ds 426 Js 1848/07, StraFo 2007, S. 501 ff). Andernfalls würde man den zur Entscheidung berufenen Richter zwingen, sich zunächst selbst zu vernehmen, um den Ausschlussgrund des § 22 Abs. 5 StPO herbeizuführen mit der Folge, dass der gesamte Prozess neu durchgeführt werden müsste. Die Alternative wäre, dass das gesamte Verfahren in Anwesenheit eines Ergänzungsrichters durchgeführt werden müsste.

 

Soweit der Gesetzgeber nur die bisher erfolgte Vernehmung als Ausschließungsgrund genügen lässt, ist ersichtlich der vorgenannte Fall übersehen worden, dass nämlich der Einzelrichter ernsthaft seine eigene Vernehmung in Betracht zieht. Denn die Konfliktsituation, die § 22 Abs. 5 StPO vermeiden will, entsteht genauso, wenn der zuständige Richter im Vorfeld ernsthaft seine eigene Vernehmung prüft und bejaht. Denn auch dann befindet er sich in einem entsprechenden Konflikt. Es entspräche nicht dem Beschleunigungsgrundsatz im Strafverfahren, wenn man den zuständigen Richter dzau zwingen würde, gewissermaßen sich selbst zu vernehmen, bevor man ihn von der Prozessführung entbindet. Die Ausschließung zu einem späteren Zeitpunkt wirksam werden zu lassen, zum Beipsiel bei Vorbereitung des Termins und Ladung der eigenen Person oder ähnlichem, würde auf eine bloße Förmelei hinauslaufen.”

 

Der Sachverhalt ist recht einfach gestrickt, begründete aber die schwierige Konstellation. Fünf Männer waren angeklagt einen Hausfriedensbruch begangen zu haben. Vormals waren es sieben Beschuldigte. Gegen zwei wurde das Verfahren abgetrennt und fünf wurden, wie bereits erwähnt, angeklagt. Das Hauptverfahren wurde vor dem Amtsgericht Güstrow im Jahre 2012 eröffnet. Erkennender Richter war Richter am Amtsgericht K. Im Zuge der Hauptverhandlung sagte der gesondert verfolgte A. aus. Die fünf Angeklagten wurden am Ende der Hauptverhandlung freigesprochen. Der Richter war jedoch der Meinung, dass der Zeuge – und gesondert Verfolgte – eine Falschaussage vorgenommen hat. Er betonte dies in seiner Urteilsbegründung. Dann wurde aufgrund dessen ein weiteres Ermittlungsverfahren gegen den gesondert verfolgten A eingeleitet, dieses mit dem Vorwurf des Hausfriedensbruch verbunden. Der Richter dieses Verfahrens sollte auch der Richter am Amtsgericht K. sein. Die Verteidigung hielt ihn für befangen. Er selbst erklärte sich deckungsgleich mit der Verteidigung.

 

Das Amtsgericht Güstrow hat in seinem Beschluss, den Richter am Amtsgericht K. von dem Richteramt (für dieses Verfahren 😉 ) ausgeschlossen. Hierbei bezog sich das Amtsgericht Güstrow auf die Analogie von § 22 StPO, denn hier liegt eine Gesetzeslücke vor, die so nicht gewollt gewesen sein kann. Im Wortlaut heißt es, dass der Richter kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, 5. Wenn er in der Sache als Zeuge oder Sachverständiger vernommen ist.“ Im vorliegenden Fall stand die Vernehmung des Richters noch bevor, denn er war unmittelbarer Zeuge der angeblichen Falschaussage des Angeklagten A. Vernommen worden ist er nicht. Vernehmung ist die Anhörung durch ein Strafverfolgungsorgan in irgendeinem Verfahrensabschnitt. Dabei genügt die schriftliche Äußerung über sachlich erhebliche Umstände, auch eine dienstliche Äußerung (Meyer-Goßner StPO § 22 Rn. 20).

 

Schön ist mal wieder, dass hier nicht auf den Befangenheits- und Beweisantrag der Verteidigung eingegangen wurde, sondern eine Entscheidung erging, wonach es so scheint, dass der Richter selbstgerecht seinen Ausschluss beantragte. Naja! :-/ Hängt wohl damit zusammen, dass die bloße Möglichkeit, dass es zur Vernehmung kommt, nicht ausreicht (BGH MDR 77, 107; NJW 2009, 1287). Durch die Benennung als Zeuge in einem Beweisantrag, wird der Richter daher nicht ohne weiteres ausgeschlossen, auch nicht durch die Ladung als Zeuge (BGH 14, 219, 220).

 

Verfahrenstipp für Verteidiger I: Trotzdem sollte man vor solchen Anträgen nicht zurückschrecken. Der Beweisantrag kann gerade „Stimmung“ in den Prozess und das Gericht in die Enge treiben. Ausgeschlossen ist er erst, wenn er in der HV als Zeuge erscheint (BGHSt 7, 44, 46; wegen der weiteren Einzelh. s. Meyer-Goßner, § 22 Rn. 19 f.  aus Burhoff Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung Rn. 405). Das Gericht muss daher den Zeugen (den Richter 😉 ) laden und dieser muss auch noch erscheinen. Schon ein kurioser Zustand. Die Ablehnungsbegründung dürfte dem Gericht zumindestens Schwierigkeiten bereiten. Der Befangenheitsantrag ist hier noch besser, denn und gerade in der dienstlichen Erklärung kann so viel Konfliktpotenzial liegen. Es gibt auch immer wieder Richter, die sehr unbedarft, ja arrogant sich in solchen dienstlichen Erklärungen äußern. Manchmal kann man darauf weitere Anträge stützen. Ideen sind dann gefragt. J

 

Verfahrenstipp für Richter: Der Richter hat eine dienstliche Wahrnehmung im Zusammenhang mit der (noch anstehenden, dann) laufenden Hauptverhandlung gemacht. Dienstliche Wahrnehmungen werden durch dienstliche Erklärungen dann in die Hauptverhandlung eingeführt (BGHSt 44, 4; 39, 239; BGH StV 2002, 294). Ein dahingehender Beweisantrag auf Vernehmung des Richters ist folglich auf eine iSd § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO unzulässige Beweisaufnahme gerichtet (BGHSt 39, 239; 7, 330 – auch bei Burhoff ). Der Beweisantrag wäre daher abzulehnen. Insoweit kann der Richter an der Ablehnung des Beweisantrages sogar mitwirken, wenn er sein Nichtwissen dienstlich versichert (Meyer-Goßner, § 22 Rn. 20). Gleiches könnte mit dem Befangenheitsantrag geschehen. Dienstliche Erklärungen, die sich zu der Frage verhalten, ob der als Zeuge benannte Richter die in sein Wissen gestellten Beweisbehauptungen über Vorgänge aus einer früheren HV bestätigen kann, erfüllen nicht ohne Weiteres die Voraussetzungen einer Zeugenaussage i.S.d. § 22 Nr. 5 (vgl. u.a. BGHSt 47, 270; BGH StV 2004, 355; vgl. dazu Binder, StV 2006, 676 – aus Burhoff Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung Rn. 404).

 

Verfahrenstipp für Verteidiger II: Kreativ sein und nicht aufgeben! 😉

 

Thomas Penneke

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