Selbstjustiz gegoogelt

Das Landgericht Zwickau wertete die Tötung eines ehemaligen Jugendtrainers als Affekttat, da dieser zuvor sexuellen Missbrauch gestanden hatte. Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied jedoch, dass das LG die Hinweise auf eine geplante Tat, insbesondere Google-Recherchen zu Selbstjustiz und Tötungsmethoden, nicht ausreichend gewürdigt habe (BGH, Urteil vom 19.12.2024 – 5 StR 588/24).

Sachverhalt

24 Jahre nach einem erlittenen sexuellen Missbrauch tötete ein Mann seinen ehemaligen Peiniger mit fünf Axthieben. Die schwierige Bewertung des Falles lag beim LG Zwickau: War es eine geplante Rachetat oder eine Reaktion im Affekt? Der Täter hatte nach einem Autounfall nur vage Erinnerungen an den Missbrauch. Daraufhin recherchierte er intensiv zu Kindesmissbrauch und Schutzmaßnahmen, aber auch zu Selbstjustiz, Giften und Tötungsmethoden. Er suchte gezielt nach dem Namen seines damaligen Trainers, der tatsächlich wegen eines Sexualdelikts eine Freiheitsstrafe verbüßt hatte.

Beim persönlichen Treffen gestand das Opfer seine Taten und erklärte, wieder als Jugendtrainer tätig zu sein. Der Täter erlitt eine Panikattacke, verließ den Ort, erblickte draußen eine Axt – und tötete den Mann. Das LG erkannte auf Totschlag und sprach eine Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren aus, da es eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit annahm.

Entscheidung

Die Staatsanwaltschaft legte Revision ein – mit Erfolg. Der BGH bemängelte die Beweiswürdigung des LG: Die einzelnen Indizien für eine Tatplanung seien zwar betrachtet, aber nicht in ihrer Gesamtheit bewertet worden. Zudem stellte das Gericht Widersprüche in der Gutachterbewertung sowie einen Rechtsfehler in der Ablehnung des Mordmerkmals Heimtücke fest. Es sei nicht entscheidend, ob das Opfer arglos war, sondern ob der Täter bewusst dessen Wahrnehmung der Situation ausnutzen konnte.

Meinung und Schluss: Selbstjustiz, Tötung aus Rache – oder doch eine Panikreaktion? Der Fall zeigt eindrücklich, wie wichtig eine umfassende Betrachtung aller Beweise ist. Wer sich monatelang mit Giften, Mordmethoden und Selbstjustiz befasst, kann schwerlich als unüberlegt handelnd gelten. Das LG Zwickau muss nun erneut urteilen. Ob es diesmal zur Mordverurteilung reicht?

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