Die Bezeichnung von Olaf Scholz als „Volksschädling“ auf einem Demonstrationsplakat stellt keine strafbare Beleidigung dar. Das BayObLG entschied, dass die Äußerung im Gesamtzusammenhang als sachliche Machtkritik gewertet werden kann und keine erhebliche Beeinträchtigung des öffentlichen Wirkens vorliegt (BayObLG, Beschluss vom 06.03.2025 – 206 StRR 433/24).
Was darf man über Politiker sagen? Mehr, als manche Staatsanwälte glauben. Ein Demonstrant bezeichnete Olaf Scholz auf einem Plakat als „Volksschädling“ – die Justiz sah darin keine Straftat. Das BayObLG bestätigte den Freispruch und stellte klar: Meinungsfreiheit geht vor Dünnhäutigkeit.
Sachverhalt:
Während einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen in Ingolstadt hielt ein Teilnehmer ein Plakat hoch, das Olaf Scholz, Nancy Faeser und Robert Habeck hinter Gittern zeigte. Dazu prangten Begriffe wie „Totengräber der Demokratie“ und „Volksverbrecher“. Unter Scholz’ Bild stand „Volksschädling“.
Obwohl die betroffenen Politiker keine Strafanträge stellten, wurde der Demonstrant wegen Beleidigung angeklagt. Die Vorinstanzen (AG und LG) sprachen ihn frei. Die Staatsanwaltschaft wollte zumindest eine Verurteilung wegen der Äußerung gegenüber Scholz erreichen – ohne Erfolg.
Entscheidung:
Das BayObLG wies die Revision zurück. Eine strafbare Formalbeleidigung nach § 185 StGB liege nicht vor, da die Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG eine Gesamtbetrachtung erfordere. Die Bezeichnung „Volksschädling“ könne im Kontext der Demonstration als Kritik an der Regierungspolitik gewertet werden, ohne eine persönliche Ehrverletzung zu begründen.
Auch eine Beleidigung nach § 188 StGB sah das Gericht nicht gegeben. Entscheidend sei nicht nur die Äußerung selbst, sondern deren konkrete Auswirkungen auf das öffentliche Wirken des Politikers. Eine bloße Schmähung ohne reale Konsequenzen genüge nicht. Dass rund 100 Personen die Äußerung zur Kenntnis genommen haben, sei für den Bundeskanzler kaum von Bedeutung.
Besonders deutlich distanzierte sich das BayObLG von einer gegenteiligen Auffassung des OLG Zweibrücken: Allein die Äußerung könne nicht Maßstab der Strafbarkeit sein. Der Gesetzgeber habe die Anforderungen an Beleidigungen und Verleumdungen nicht konsequent abgegrenzt, was zu Missverständnissen geführt habe.
Meinung und Schluss:
Das BayObLG bringt es auf den Punkt: Politiker müssen dickere Haut haben als der Durchschnittsbürger – Berufsrisiko. Wer sich ins Rampenlicht stellt, darf nicht bei jeder scharfen Kritik nach dem Strafgesetzbuch rufen. Gerade in hitzigen politischen Debatten darf Meinungsfreiheit nicht nur ein Lippenbekenntnis sein.
Natürlich gibt es Grenzen: Wer bewusst Lügen verbreitet oder Hetze betreibt, kann nicht auf Schutz pochen. Doch bloße Polemik gehört zur Demokratie wie das Amen in der Kirche. Und mal ehrlich – wenn „Volksschädling“ die größte Beleidigung ist, die Scholz ertragen muss, dann geht’s ihm doch noch ziemlich gut.