BGH Revision: Rückwirkung des § 64 StGB?

Durch die Ergänzung des Wortes ‚überwiegend‘ in § 64 StGB soll nunmehr gesetzlich konkretisiert werden, unter welchen Voraussetzungen ein kausaler Zusammenhang zwischen ‚Hang‘ und ‚Anlasstat‘ angenommen werden kann. Nur für den Fall, dass die rechtswidrige Tat überwiegend auf den Hang der Person, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, zurückgeht, ist ein solcher künftig anzunehmen (BT-Drucks. 20/5913 S. 69 f. – in Verbindung mit BGH Beschluss vom 25. Oktober 2023 – 5 StR 246/23).

Sachverhalt

Das Landgericht Dresden hat den Angeklagten am 21.04.2023 – 3 KLs 424 Js 53384/22 wegen 21 Fällen des schweren Bandendiebstahls, wobei es dreimal beim Versuch blieb, und zwei weiteren Fällen des Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt, eine Einziehungsentscheidung getroffen, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB angeordnet und bestimmt, dass zwei Jahre der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen sind. Es wurde durch die Strafkammer festgestellt, dass die Taten „(auch) zur Finanzierung seines … Betäubungsmittelkonsums begangen“ habe.

Zwischenwissen

Der Angeklagte legte gegen die Entscheidung Revision ein und begründete dies mit der allgemeinen Sachrüge. Mit dem 1. Oktober 2023 änderte sich § 64 StGB. 

Die Entscheidung

Die Ausführungen des Landgerichts belegen nicht, dass die Voraussetzungen der seit 1. Oktober 2023 geltenden und nach § 2 Abs. 6 StGB auch für Altfälle maßgeblichen Neufassung des § 64 StGB vorliegen.

„Das Landgericht hat bei seiner Prüfung – zum damaligen Zeitpunkt zutreffend – diesen strengeren Anordnungsmaßstab nicht vor Augen gehabt und des- halb seine Feststellungen nicht daran ausgerichtet. Die vom Landgericht getroffene Feststellung, der offenbar über keine nennenswerten anderweitigen Einkünfte im Tatzeitraum verfügende Angeklagte habe die Taten „(auch) zur Finanzierung seines … Betäubungsmittelkonsums begangen“, belegt – auch wenn sie nach dem damaligen Rechtszustand ausreichend war – ein solches Überwiegen nicht. Soweit das Landgericht darauf verwiesen hat, der Angeklagte habe das Metamphetamin gezielt vor Tatbegehung eingenommen, um Hemmungen zu beseitigen, bleibt unberücksichtigt, dass ein symptomatischer Zusammenhang fehlen kann, wenn sich der Täter ohne Rauschmitteleinfluss zur Tat entscheidet und erst anschließend gezielt durch Einnahme von Rauschmitteln enthemmt, um die Tat leichter begehen zu können (vgl. BGH, Urteil vom 11. September 1990 – 1 StR 293/90, NJW 1990, 3282; Beschluss vom 30. Juni 2016 – 3 StR 231/16; LK-StGB/Cirener, 13. Aufl., § 64 Rn. 39).“

Resümee und Meinung

Weil das Landgericht den durch die Neufassung des § 64 StGB veränderten und für die Senatsentscheidung nach § 2 Abs. 6 StGB und § 354a StPO maßgeblichen Anordnungsmaßstab noch nicht berücksichtigen konnte, bedarf die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt erneuter Prüfung und Entscheidung. 

Diese Art von Rückwirkung wirkt sich negativ auch auf die schon ergangenen Entscheidung des Landgericht aus. Dieses hatte unter dem Eindruck der damaligen Gesetzeslage ihre Entscheidung zur Anordnung einer Maßregel nach § 64 StGB getroffen. Zu Recht! Eine Revidierung dieser Entscheidung erachte ich als unangebracht und nachteilig für den Angeklagten. 

Nun ist es so, dass die Revision hier nicht die Staatsanwaltschaft eingelegt hat. Es war der Angeklagte selbst. Warum aber im Angriff der Revision nicht die Anordnung der Maßregel ausgenommen wurde, erschließt sich nicht. Vielleicht wollte es der Angeklagte aber auch provozieren. Wäre aber bei der Gesamthöhe von 8 Jahren nicht wirklich nachvollziehbar. Nur mit der Maßregel nach § 64 StGB hätte der Angeklagte eine Chance früher als 8 Jahren wieder in Freiheit zu kommen. Daher verstehe ich die Revision nicht. Wahrscheinlich hat der Verteidiger hier einen Fehler gemacht, der sich jetzt für den Angeklagten rächen könnte. 

Gut ist der letzte Satz des BGH dann: „Der Senat hebt die zugehörigen Feststellungen auf, um dem neuen Tatgericht widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen.“ So hat der Angeklagte wenigstens noch eine Möglichkeit. 

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