§ 362 Nr. 5 StPO ist verfassungswidrig

Mit heute verkündetem Urteil hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass § 362 Nr. 5 Strafprozessordnung (StPO) mit dem Mehrfachverfolgungsverbot des Art. 103 Abs. 3 Grundgesetz (GG) und dem Rückwirkungsverbot (Art. 103 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG) unvereinbar und nichtig ist (Pressemitteilung Nr. 94/2023 vom 31. Oktober 2023).

Was war geschehen?

Dem Beschwerdeführer wurde vorgeworfen, im Jahr 1981 eine Schülerin vergewaltigt und getötet zu haben. Das daraufhin gegen ihn geführte Strafverfahren endete 1983 mit einem Freispruch. Im Februar 2022 wurde es wegen neuer Beweismittel aufgrund des am 30. Dezember 2021 in Kraft getretenen § 362 Nr. 5 StPO wiederaufgenommen. Nach dieser Vorschrift darf ein Strafverfahren zuungunsten eines rechtskräftig Freigesprochenen wiederaufgenommen werden, wenn aufgrund neuer Tatsachen oder Beweismittel dringende Gründe dafür bestehen, dass der Betroffene nunmehr wegen Mordes oder bestimmter Völkerstraftaten verurteilt wird.

Die Entscheidung

Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens gegen den Beschwerdeführer ist verfassungswidrig. Ihre Rechtsgrundlage, § 362 Nr. 5 StPO, verstößt gegen Art. 103 Abs. 3 GG. Das in Art. 103 Abs. 3 GG statuierte Mehrfachverfolgungsverbot verbietet dem Gesetzgeber die Regelung der Wiederaufnahme eines Strafverfahrens zum Nachteil des Freigesprochenen aufgrund neuer Tatsachen oder Beweismittel. Es trifft eine Vorrangentscheidung zugunsten der Rechtssicherheit gegenüber der materialen Gerechtigkeit. Zudem verletzt die Anwendung des § 362 Nr. 5 StPO auf Freisprüche, die bereits zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens rechtskräftig waren, das Rückwirkungsverbot.

Und nun?

Die angegriffenen, auf § 362 Nr. 5 StPO beruhenden Beschlüsse des Landgerichts Verden und des Oberlandesgerichts Celle werden aufgehoben; die Sache wird an das Landgericht zurückverwiesen. Dort wird das Verfahren dann einzustellen sein. Der Angeklagte bleibt ein freier Mann.

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