Heimlich mit der Staatsanwaltschaft getuschelt

BGH kippt Mordurteil wegen Befangenheit

Verdeckt geführte Kommunikation zwischen der Vorsitzenden Richterin und der Staatsanwaltschaft begründet die Besorgnis der Befangenheit (§ 338 Nr. 3 Alt. 2 StPO) und führt zur Urteilsaufhebung (Beschl. v. 01.04.2025, Az. 1 StR 434/24).

In einem Revisionsverfahren hat der Bundesgerichtshof (BGH) das Mordurteil des Landgerichts Traunstein aufgehoben. Grund: Die Vorsitzende hatte heimlich mit der Staatsanwaltschaft kommuniziert – ein klarer Fall von Besorgnis der Befangenheit.

Sachverhalt

Am 3. Oktober 2022 griff ein 20-jähriger Angeklagter in Aschau im Chiemgau eine junge Frau auf dem Heimweg an. Er schlug sie mehrfach mit einem stumpfen Gegenstand, entkleidete sie und schleppte sie zur Tatverdeckung in einen Bach, wo sie ertrank. Das LG Traunstein verhängte eine Jugendstrafe von neun Jahren wegen Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung.

Entscheidung / Auswirkungen

Was die Kammer verschwieg: Die Vorsitzende Richterin hatte bereits vor Urteilsverkündung mit dem Staatsanwalt per E-Mail über rechtliche Bewertungen und Zeugenaussagen gesprochen – ohne Wissen der Verteidigung. Diese Kommunikation blieb auch bei einem gerichtlichen Hinweis ungenannt. Erst als die Verteidigerin zufällig auf die E-Mails in einem Sonderband stieß, kam alles ans Licht. Ein Befangenheitsantrag wurde zurückgewiesen, das Urteil aber dennoch unter Leitung der betroffenen Richterin gefällt.

Der BGH rügte das Vorgehen scharf. Nicht die tatsächliche Voreingenommenheit sei entscheidend, sondern ob objektiv der Anschein fehlender Neutralität entsteht – und das sei hier der Fall. Auch die nachträgliche, unaufgeforderte Stellungnahme der Richterin in der Revision habe diesen Eindruck verstärkt. Folge: Aufhebung des Urteils und Rückverweisung an eine andere Jugendkammer.

Meinung und Schluss

Richterliche Unabhängigkeit ist das höchste Gut – aber eben auch ein empfindliches. Wer sich in geheimen E-Mail-Wechseln mit der Staatsanwaltschaft austauscht, verliert mehr als nur das Vertrauen der Verteidigung. Es ist ein Lehrstück darüber, wie viel Transparenz Recht tatsächlich braucht. Dass der BGH hier klar Position bezogen hat, war überfällig. Jetzt darf ein neues Gericht neu bewerten. Ohne Hinterzimmer-Flüstern.

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