Mutterschutzgesetz gilt auch für eifrige Richterinnen

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. November 2016 ein Urteil des Landgerichts Darmstadt aufgehoben, weil an der Hauptverhandlung eine Richterin teilgenommen hatte, obwohl ein Dienstleistungsverbot bestand. 

Die vom Landgericht durchgeführte Hauptverhandlung dauerte rund zwanzig Monate. Die Strafkammer war mit drei Berufsrichtern und zwei Schöffen besetzt. Ein Ergänzungsrichter war nicht hinzugezogen worden. An der Hauptverhandlung und am Urteil wirkte eine Richterin mit, die im Lauf der Hauptverhandlung schwanger wurde. Die Hauptverhandlung wurde am 20. Dezember 2013 bis zum 3. Januar 2014 unterbrochen. Im Fortsetzungstermin am 3. Januar war zu erkennen, dass die Schwangerschaft beendet war. Auskünfte hierzu wurden auf Nachfrage der Verteidiger nicht erteilt. Die Hauptverhandlung wurde am 3. Januar 2014 mit der Verkündung von Beschlüssen fortgesetzt; danach unterbrach sie der Vorsitzende bis zum 31. Januar 2014. Die Verteidiger erhoben einen Besetzungseinwand, den die Strafkammer durch Beschluss zurückwies. Sie erklärte, dass die Besetzung des Gerichts ordnungsgemäß sei. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus § 6 Abs. 1 Satz 1 MuSchG. Bei dieser Vorschrift handele es sich nicht um eine Regelung über die Besetzung des Gerichts. Der Richterin stehe aufgrund ihrer Unabhängigkeit die Ausübung des Richteramts in der Zeit des gesetzlichen Mutterschutzes frei; ihr könne ein überobligationsmäßiger Einsatz nicht untersagt werden. Der Rechtskreis der Angeklagten sei vom Schutzzweck des § 6 Abs. 1 MuSchG nicht berührt.

Hochschwangere Richterin stellt fehlerhafte Besetzung dar

Dies hat der Bundesgerichtshof als rechtsfehlerhaft beanstandet. Aus § 6 Abs. 1 MuSchG in Verbindung mit Überleitungsregeln des Landesrechts folgt ein absolutes Dienstleistungsverbot. Es steht danach nicht im Belieben der Richterin, ob sie von dem gesetzlichen Mutterschutz Gebrauch macht oder darauf verzichtet. § 6 Abs. 1 MuSchG will der Mutter gerade diesen Entscheidungsdruck für die Zeit nach der Entbindung nehmen. Die Fortsetzung einer Hauptverhandlung in der Mutterschutzfrist führt zu einem Besetzungsfehler des Gerichts, der einen absoluten Revisionsgrund im Sinne von § 338 Nr. 1 StPO begründet.

PM 196/16

Urteil vom 7. November 2016 – 2 StR 9/15

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