Die strafprozessuale Verwertbarkeit der “EncroChat”-Daten richtet sich nach dem Rechtszustand zum Zeitpunkt der Datenanforderung. Eine spätere Herabstufung des Straftatbestands ändert daran nichts. (BGH, Urteil vom 30.01.2025 – 5 StR 528/24)
Sachverhalt
Ein Angeklagter hatte ein Kryptohandy des Anbieters “EncroChat” für den Handel mit Cannabis genutzt. 2020 gelang es französischen Ermittlungsbehörden, das Netzwerk zu infiltrieren und die Kommunikation der Nutzer auszuwerten. Die gesammelten Daten wurden an deutsche Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet und fanden Eingang in das Strafverfahren gegen den Angeklagten.
Das Landgericht Berlin I verwertete die “EncroChat”-Daten jedoch nicht als Beweismittel und sprach den Angeklagten frei. Zur Begründung verwies das Gericht auf das am 1. April 2024 in Kraft getretene Cannabisgesetz, das den Handel mit Cannabis nicht mehr als Verbrechen, sondern nur noch als Vergehen einstuft. Das LG war der Auffassung, dass eine solch gravierende Ermittlungsmaßnahme wie eine Online-Durchsuchung gemäß § 100b StPO für ein Vergehen nicht mehr verhältnismäßig sei und die gewonnenen Daten daher unverwertbar seien.
Entscheidung
Der Bundesgerichtshof hob den Freispruch auf und stellte klar, dass die Einstufung als Vergehen nach neuem Recht die Verwertbarkeit der “EncroChat”-Daten nicht berührt. Entscheidend sei der Rechtszustand im Jahr 2020, als die Daten erfasst und übermittelt wurden. Zu diesem Zeitpunkt war der Handel mit Cannabis in großem Umfang ein Verbrechen nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG.
Der BGH verwies auf seine bisherige Rechtsprechung sowie auf Entscheidungen des EuGH und des BVerfG, wonach eine Änderung der rechtlichen Bewertung einer Tat im weiteren Verfahren nicht zu einem Beweisverwertungsverbot führe. Da die Daten unter den damaligen rechtlichen Bedingungen rechtmäßig übermittelt worden seien, könnten sie auch weiterhin als Beweismittel genutzt werden.
Meinung und Schluss
Eine nachträgliche Gesetzesänderung macht also aus legal erhobenen Beweisen keine verbotenen Früchte. Der BGH bleibt damit klar seiner Linie treu und betont, dass Ermittlungsmaßnahmen nicht nachträglich durch milderes Recht entwertet werden können.
Ich finde die Entscheidung dennoch nicht richtig. Nicht, weil ich Strafverteidiger bin, sondern weil der Gesetzgeber bei Gesetzesänderungen sorgfältig arbeiten muss. Wenn er Lücken offen lässt, müssen die Gerichte diese kitten. Das bekommt dann aber einen ekligen Touch und lässt die Tür für (berechtigte) Kritik an der Entscheidung offen. Der Gesetzgeber hat hier in seinem Regulierungswahn etwas vergessen, was offensichtlich ist. Vielleicht wollte er das aber auch so. Dann hätte das oberste Gericht sich jedoch etwas angemaßt, wofür es nicht zuständig ist.
Für den Angeklagten bedeutet das Urteil jedenfalls, dass die Sache neu verhandelt wird – und das prophezeie ich: dessen Verurteilung.