Encro-Chat: Was ist da eigentlich los?

Viele verstehen gar nicht, warum die Strafverteidiger so einen Hype um die Verwertung von Encro-Daten machen. Die Einen sagen, dass es doch richtig sei, dass Kriminelle mit allen Mitteln und Wegen verfolgt und abgeurteilt werden. Die Anderen hingegen verweisen auf den Rechtsstaat. Doch worum gehts eigentlich genau? Wie die Sachlage (nicht die Rechtslage) aussieht, will ich diesem Beitrag kurz erklären. Gut, am Schluss geb ich ein Statement ab. 😉

Erst der Hinweis

Es gab in Frankreich 2017 und 2018 Hinweise darauf, dass Tatverdächtige organisierten Drogenhandel (bis zu 6 kg Heroin und 436 kg Marihuana) über besonders verschlüsselte Mobiltelefone (“Kryptohandys”) des Anbieters EncroChat abwickelten. Mit diesen Geräten konnte man weder telefonieren noch das Internet nutzen, sondern lediglich Chat-Nachrichten (SMS) versenden, Notizen anlegen oder Sprachnachrichten speichern und versenden. Eine Kommunikation war nur zwischen Nutzern von EncroChat möglich. Aufgrund einer besonderen Ausstattung der Telefone und einer besonderen Verschlüsselungstechnik konnten Strafverfolgungsbehörden weder auf die damit geführte Kommunikation zugreifen noch die Geräte inhaltlich auslesen oder orten. Mit diesen Merkmalen und einer Garantie der Anonymität wurden die Geräte beworben. Allerdings konnte man sie nicht von offiziellen Verkaufsstellen, sondern nur von speziellen Verkäufern über anonyme Kanäle zu einem hohen Preis von 1.610 Euro für einen Nutzungszeitraum von sechs Monaten erwerben. Ein legal existierendes Unternehmen “EncroChat” war ebenso wenig zu finden wie Verantwortliche dieser Firma oder ein Unternehmenssitz. 

Ermittlungsverfahren Frankreich

Die französischen Strafverfolgungsbehörden leiteten ein Ermittlungsverfahren u.a. wegen des Verdachts einer kriminellen Vereinigung ein und fanden heraus, dass die verschlüsselte Kommunikation zwischen EncroChat-Nutzern über einen im französischen Roubaix betriebenen Server lief. Mit Genehmigung durch ein französisches Gericht griffen sie auf die Daten auf dem Server zu. Hierbei ergab sich, dass 66.134 SIM-Karten eines niederländischen Anbieters im System eingetragen waren, die in einer Vielzahl europäischer Länder verwendet wurden. Eine Dechiffrierung mehrerer tausend “Notizen” von EncroChat-Nutzern belegte, dass diese unter anderem mit illegalen Aktivitäten wie insbesondere Drogenhandel mit bis zu 60 kg Kokain in Verbindung standen.

Beweissicherung Frankreich

Auf Antrag der französischen Staatsanwaltschaft wurde in Frankreich richterlich u.a. die Installation einer Abfangeinrichtung zu den über den französischen Server laufenden und auf den Telefonen gespeicherten Daten ab dem 1. April 2020 genehmigt.

Erste Erkenntnis

Nach ersten Erkenntnissen wurden von den in Frankreich aktiven Telefonen sicher jedenfalls 63,7 % für kriminelle Zwecke verwendet, die übrigen Geräte (36,3 %) waren entweder teils inaktiv oder noch nicht ausgewertet. Staatsanwaltschaft und Gericht gingen nach der Auswertung der im ersten Monat erlangten Daten von einer “nahezu ausschließlich kriminellen Klientel” der EncroChat-Nutzer aus.

Deutschland

Dem Bundeskriminalamt wurden über Europol Erkenntnisse zugeleitet, wonach in Deutschland eine Vielzahl schwerer Straftaten von EncroChat-Nutzern begangen wurden. Die “Zuleitung” erfolgte in txt oder xlx Dateien, die weder verschlüsselt noch passwortgesichert waren (aber das ist nicht der Knackpunkt).

Die Zentralstelle zur Bekämpfung für Internetkriminalität bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main leitete daraufhin ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt ein.

In diesem Verfahren erging erst am 2. Juni 2020 eine an Frankreich gerichtete Europäische Ermittlungsanordnung mit dem Antrag, die Deutschland betreffenden EncroChat-Daten zu übermitteln und deren Verwendung in deutschen Strafverfahren zu erlauben.

Beides genehmigte ein französisches Gericht am 13. Juni 2020. 

Ergebnis

Am 1. April 2020 beginnt die Beweissicherung, erst am 2. Juni 2020 wird der Antrag von Deutschland an Frankreich gestellt, was ein Gericht in Frankreich auch erst am 13. Juni 2020 genehmigt. Dieser Ablauf ist rechtsstaatswidrig.

Näheres in einem anderen Beitrag.

Ein Gedanke zu „Encro-Chat: Was ist da eigentlich los?“

  1. Ich finde das der Staat nicht alles wissen muss und es auch nicht braucht. Es war ja garnicht im Vorfeld klar das es sich um eventuelle Straftaten handelt. Bloß weil der Staat nicht mitlesen konnte, wird gleich eine Straftat vermutet? Da wird der Mensch ja unter Generalvetdacht gestellt. Wenn ich einen Brief schreibe, weiß auch keiner was ich in dem Brief schreibe, außer der Empfänger? Könnten ja auch strafbarer Inhalt sein? Finde das alles echt extrem. Ich bin in der DDR aufgewachsen. Das alles erinnert mich an die Stasi, bloß noch intensiver. Meine Rechte auf Selbstbestimmung usw. werden immer weiter beschnitten. Hat meiner Meinung nach schon diktaturische Züge.

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