BGH: Wiedereinsetzung – Kenntnis des Angeklagten entscheidet

Es fehlt an der Zulässigkeit eines Wiedereinsetzungsantrages, wenn die Antragsbegründung nicht mitteilt, wann das Hindernis beim Angeklagten weggefallen ist. Auf dessen Kenntnisnahme und nicht auf die beim Verteidiger kommt es an (Beschluss BGH 12. Oktober 2022 – 4 StR 319/22).

Der Bundesgerichtshof hat in einer Entscheidung aus Oktober 2022 einen Wiedereinsetzungsantrag zur Führung der Revision als unzulässig verworfen. Der Verteidiger hatte vergessen, innerhalb der Wochenfrist die Revision gegen das Urteil einzulegen.

Wiedereinsetzung ?

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist auf Antrag demjenigen zu gewähren, der ohne Verschulden gehindert war, eine Frist einzuhalten (§ 44 Abs. 1 StPO). Der Antrag ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 45 Abs. 1 Satz 1 StPO). Innerhalb der Wochenfrist muss der Antragsteller, sofern sich die Wahrung der Frist des § 45 Abs. 1 StPO nicht offensichtlich aus den Akten ergibt, auch Angaben über den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses machen (BGH, Beschlüsse vom 12. Januar 2021 – 3 StR 422/20; vom 13. Januar 2016 – 4 StR 452/15).

Hierzu müssen Sie wissen, dass die Revisionseinlegungs- wie auch die -begründungsfrist nicht verlängert werden können. Wenn diese beiden oder auch eine nicht eingehalten worden sind, dann geht nur noch der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand. In diesem muss zwingend mitgeteilt werden, warum die Frist nicht gewahrt werden konnte und wann das Hindernis weggefallen ist. Die Frist zu einem solchen Antrag beträgt eine Woche nach Wegfall des Hindernisses.

Aus der Entscheidung

“An dieser Zulässigkeitsvoraussetzung fehlt es. Der Antrag vom 7. Juli 2022 enthält keine ausreichenden Angaben dazu, wann das Hindernis weggefallen ist, das der Fristwahrung entgegenstand. Entscheidend für den Fristbeginn ist der Zeitpunkt der Kenntnisnahme durch den Angeklagten, auf den Zeitpunkt der Kenntnisnahme des Verteidigers kommt es hingegen nicht an (Senat, aaO mwN). Dies gilt selbst dann, wenn der Verteidiger ein eigenes Verschulden geltend, das dem Angeklagten nicht zuzurechnen wäre (BGH, Beschlüsse vom 4. August 2010 – 2 StR 365/10, juris Rn. 3; vom 8. Dezember 2011 – 4 StR 430/11, juris Rn. 4). Wann dem Angeklagten die Versäumung der Revisionseinlegungsfrist bekannt geworden ist, wird indes nicht vorgetragen und ergibt sich auch nicht aus dem Inhalt der Akten. Den Sachakten ist vielmehr zu entnehmen, dass der Vorsitzende am 22. Juni 2022 die Übersendung einer Urteilsausfertigung mit Rechtskraftvermerk an den Angeklagten und dessen Verteidiger verfügt hat. Aus dem auf dieser Verfügung angebrachten Erledigungsvermerk ergibt sich, dass die Absendung am 28. Juni 2022 erfolgt ist (Bd. IV, Bl. 868). Bei üblicher Postlaufzeit von einem Werktag (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juli 2012 – 1 StR 341/12; BFH, Urteil vom 21. April 2021 – XI R 42/20, juris Rn. 15; https://www.deutschepost.de/de/q/qualitaet_gelb.html) ist mithin nicht fernliegend, dass der Angeklagte das schriftliche Urteil bereits am 29. Juni 2022 erhalten hat, sodass die Wochenfrist des § 45 Abs. 1 StPO am 6. Juli 2022 abgelaufen wäre. Gegen die Einhaltung der normalen Postlaufzeit spricht vorliegend auch nicht der Vortrag des Verteidigers, er habe erst am 7. Juli 2022 „Kenntnis vom übersandten Urteil mit Rechtskraftvermerk erhalten“ (Bd. IV, Bl. 886 f.). Denn – abgesehen davon, dass es auf die Kenntnisnahme des Verteidigers nicht ankommt – bedeutet dies schon nicht, dass die Urteilsausfertigung dem Verteidiger erst an diesem Tag zugegangen ist.

Schlusswort

Langer Vortrag mit Glaubhaftmachung ist das A und O eines Wiedereinsetzungsantrages. Es ist eben mit qualitativer und genauer Arbeit nur zu schaffen. Hier ist der Fall noch etwas besonders. Der Verteidiger hat hier die Frist zur Einlegung der Revision versäumt. Die Wiedereinsetzung in einem solchen Fall ist immer so gut wie aussichtslos.

Anwälte sollten sich so ein Kontrollsystem schaffen, dass das nie einem durch die Lappen geht. Studenten und Referendare sollten bei Beginn der Freiberuflichkeit im Strafrecht von Anfang an daran denken. Zur Einlegung der Revision gegen ein Urteil besteht eine Frist von nur einer Woche.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert