Encro-Chat und die Verwertung

Das Kammergericht Berlin lässt zur Eröffnung eines Hauptverfahrens „EncroChat“-Daten als Beweismittel zu. Aus Sicht des Strafsenats handele es sich bei den Daten um sogenannte „Zufallsfunde“. Die Verwendung von solchen Zufallsfunden sei nach den einschlägigen deutschen Vorschriften zur Überwachung der Telekommunikation (§ 100 e Abs. 6 Nr. 1 StPO) zulässig.(Kammergericht Berlin, Beschluss vom 30.08.2021  
– 2 Ws 79/21 ; 2 Ws 93/21 -)
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Der 2. Strafsenat des Kammergerichts hat mit Beschluss vom 30. August 2021 die durch französische Ermittlungsbehörden erhobenen „EncroChat“-Daten als zulässiges Beweismittel in einem deutschen Strafverfahren gewertet und eine auf diesen Daten basierende Anklage der Staatsanwaltschaft Berlin zur Hauptverhandlung zugelassen.

Sachverhalt

Die Staatsanwaltschaft Berlin hatte am 6. Mai 2021 Anklage zum Landgericht Berlin gegen einen 32-jährigen Mann erhoben und diesem zur Last gelegt, in mehreren Fällen unerlaubt mit Betäubungsmitteln (vor allem Cannabisprodukte, MDMA-Tabletten undAmfetamin) in nicht geringer Menge (d.h. im Kilobereich) Handel getrieben zu haben. Der Angeklagte soll sich für die Absprachen mit seinen Lieferanten und Abnehmern sowie mehreren Mittätern des als besonders abhörsicher beworbenen niederländischen Kommunikationsdienstes „EncroChat“ bedient haben.

Encro-Chat

EncroChat war ein in Europa ansässiger Dienstleistungsanbieter, der Lösungen für Ende-zu-Ende verschlüsselte Instantmessanger und Endgeräte (Krypto-Handys) anbot. Da diese Dienstleistungen stark von Mitgliedern der organisierten Kriminalität zur Planung und Durchführung krimineller Aktivitäten genutzt wurden, leitete Europol zwischen März und Juni 2020 Ermittlungsverfahren gegen das Netzwerk ein und infiltrierte es. Französische Ermittlungsbehörden waren in das EncroChat-Netzwerk eingedrungen und hatten Malware auf den Endgeräten installiert. In der Folge stellte EncroChat den Geschäftsbetrieb ein.

Entscheidung des Landgerichts Berlin

Mit Beschluss vom 1. Juli 2021 lehnte die 25. Strafkammer des Landgerichts Berlin die Eröffnung des Hauptverfahrens ab. Die Chatnachrichten des Angeklagten seien in einem deutschen Strafverfahren als Beweismittel nicht verwertbar. Zu einer Unterrichtung Deutschlands über die Überwachung sei es, so die 25. Kammer des Landgerichts, entgegen der einschlägigen Rechtshilfevorschriften nicht gekommen. Insbesondere sei die Überwachung des Mobiltelefons des Angeklagten ohne konkreten Tatverdacht gegen den Angeklagten erfolgt. Es habe daher an einer grundlegenden Eingriffsvoraussetzung gemangelt, so dass die Überwachung insgesamt nicht mehr als rechtsstaatlich angesehen werden könne. Die Rechtsverstöße seien so schwerwiegend, dass sie zu einem Beweisverwertungsverbot führten.

Entscheidung des Kammergerichts

Das Kammergericht hat nun auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft am 30. August 2021 den Beschluss des Landgerichts Berlin aufgehoben und das Verfahren vor einer anderen Strafkammer des Landgerichts Berlin eröffnet. Aus Sicht des Strafsenats handele es sich bei den Daten um sogenannte „Zufallsfunde“. Die Verwendung von solchen Zufallsfunden sei nach den einschlägigen deutschen Vorschriften zur Überwachung der Telekommunikation (§ 100 e Abs. 6 Nr. 1 StPO) zulässig. Es gelte zudem aufgrund des in Europa geltenden Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Urteile und Entscheidungen ein eingeschränkter Prüfungsmaßstab. Dies führe im Ergebnis dazu, dass die nach französischem Recht gewonnenen Erkenntnisse im deutschen Strafverfahren verwendet werden dürften.

Andere Gerichte?

Auch das Landgericht Rostock hat einen Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und sich auf die ihm zugeordneten Encro-Chat Daten als Überzeugung seiner Täterschaft bezogen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und befindet sich in der Revision. Mal sehen, was der Bundesgerichtshof hierzu meint.

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