Die Einstufung eines Soldaten als Sicherheitsrisiko kann nicht allein auf „Lebenserfahrung“ gestützt werden. Auch bei auffälligem Alkoholkonsum muss die Bundeswehr eigene Ermittlungen durchführen, bevor sie Zweifel an der Zuverlässigkeit bejaht (BVerwG, Beschluss vom 25.09.2025 – 1 WB 3.25).
„Captain Morgan, übernehmen Sie!“ – so hätte man die Schlagzeile wohl getauft, wäre der Fall nicht vor dem Bundesverwaltungsgericht gelandet. Ein Hauptfeldwebel, eine halbvolle Flasche Rum und ein Streit mit der Freundin: daraus machte die Bundeswehr kurzerhand ein Sicherheitsrisiko. Das BVerwG aber fand – so einfach ist das nicht.
Sachverhalt
Ein Hauptfeldwebel und Netzwerkadministrator sollte im Rahmen seiner Tätigkeit Zugriff auf sensible Daten und Flugabwehrraketen erhalten. Doch ein Vorfall aus dem Jahr 2019 warf lange Schatten:
Der Soldat war in den frühen Morgenstunden schlafend in seinem Auto gefunden worden – mit einem Blutalkoholwert von 1,57 Promille und einer Flasche Captain Morgan auf der Rückbank. Spuren an der Karosserie deuteten auf eine Kollision hin.
Der Soldat erklärte später, er habe erst nach dem Unfall getrunken – ein sogenannter Nachtrunk. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren nach § 153a StPO gegen Auflage ein.
Doch der Militärische Abschirmdienst (MAD) und das Verteidigungsministerium glaubten ihm nicht. Sie stuften ihn als Sicherheitsrisiko nach § 5 Sicherheitsüberprüfungsgesetz (SÜG) ein.
Begründung: Seine Version sei „lebensfremd“, widersprüchlich und schlicht unglaubhaft.
Entscheidung / Auswirkungen
Das BVerwG kassierte die Entscheidung der Bundeswehr:
- Eine Sicherheitsbewertung darf nicht auf bloße „Lebenserfahrung“ gestützt werden.
- Es bedarf konkreter Tatsachen, nicht nur subjektiver Zweifel.
- Der MAD hätte den Fall selbst ermitteln müssen – etwa, ob der hohe Alkoholwert auch durch einen „Sturztrunk“ nach dem Unfall erklärbar gewesen sein könnte.
Die Richter betonten, dass gerade bei derart sensiblen Bewertungen eine saubere Beweiswürdigung Pflicht ist.
Mit anderen Worten: Wer einem Soldaten die Zuverlässigkeit abspricht, sollte vorher mehr prüfen als die eigene Intuition.
Meinung und Schluss
Ein seltener Fall, in dem die Bundeswehr nüchtern bleiben musste.
Natürlich klingt es nach einer abenteuerlichen Ausrede, wenn jemand behauptet, den Rum erst nach dem Crash getrunken zu haben. Aber genau dafür gibt es Ermittlungen – und keine Bauchentscheidungen.
Das BVerwG hat hier eines klargestellt: „Lebenserfahrung“ ist kein Beweiswert. Und manchmal ist eben auch das Unwahrscheinliche möglich – insbesondere nach einer durchzechten Nacht.
Bleibt die Moral von der Geschichte:
Wer sich mit Captain Morgan auf die Rückbank legt, sollte besser nicht mit der Bundeswehr um Glaubwürdigkeit streiten.
Aber: Solange kein klarer Beweis für die Trunkenheitsfahrt existiert, gilt auch im Sicherheitsrecht – im Zweifel für den Rumtrinker. 🥃
Richtig entschieden. Denn es konnte nicht bewiesen werden, ob der Soldat vor oder nach dem Unfall getrunken hat. Stattdessen wurde er von der Bundeswehr vorverurteilt, nur nach Bauchentscheidung. Das geht so nicht. Er kann durchaus auf den Schreck hin nach dem Unfall getrunken haben. Klingt zwar ein wenig nach Ausrede, aber ihm einfach nach Gefühl die Zuverlässigkeit abzusprechen ist nicht korrekt.
Captain Morgan kann durchaus als Seelentröster nach dem Unfall fungiert haben. Es gibt schließlich nichts, was es nicht gibt. 😉
Mich würde diese Lebenserfahrung tatsächlich interessieren….
Ja, diese Lebenserfahrung ist tatsächlich fragwürdig. Vielleicht ging es nur darum, einen unliebsamen Soldaten sozusagen abzusägen. Und da war jedes Mittel recht.
Leider weiß ich da nichts genaues…. hatte mal einen ähnlichen Fall, dass man sich da wirklich eines Soldaten entledigen wollte…. Schlimme Sache… Wir haben das aufgeklärt.
So etwas ist übel und sehr unfair. Aber wenn man Sie als Anwalt hat, dann ist man auf der sicheren Seite. 🙂
ja, gerade im Wehrrecht wird es immer interessant und manchmal auch kurios. Aber da ist ein genauso harter Kampf um den Mandanten, wie im Strafrecht. Das Wehrrecht ist das Strafrecht der Armee.