Post aus dem Knast: Anwalt leitete Brief weiter – Bußgeld aufgehoben

Enthält die Verteidigerpost aus dem Gefängnis unvermutet auch einen privaten Brief an die Ehefrau des Mandanten, handelt der Anwalt ohne Verschulden, wenn er den Brief an sie weiterleitet.

Eine Absprache zur Umgehung der Postkontrolle muss vorliegen.

(OLG Jena, Beschluss vom 07.12.2023 – 3 OLG 191 SsBs 39/22)

Sachverhalt

Ein Strafverteidiger erhielt ein mit “Verteidigerpost” gekennzeichnetes Paket mit Briefen von einem Mandanten in Untersuchungshaft. Darin befand sich auch ein privater Brief des Gefangenen an seine Ehefrau, den der Anwalt an sie weiterleitete, obwohl ihm bewusst war, dass der Ermittlungsrichter die Postkontrolle angeordnet hatte. Nachdem die Ehefrau bei der Staatsanwaltschaft auftauchte und von diversen Briefen ihres Mannes sprach, verhängte die Justizverwaltung ein Bußgeld nach § 115 Abs. 1 Nr. 1 OWiG wegen unerlaubten Verkehrs mit Gefangenen gegen den Anwalt. Dessen Einspruch hatte vor dem Amtsgericht keinen Erfolg, da das Gericht in der Weiterleitung des letzten Briefs die unbefugte Entgegennahme einer Sache sah.

Entscheidung

Die Rechtsbeschwerde des Anwalts vor dem Oberlandesgericht Jena war vorerst erfolgreich. Das OLG entschied, dass eine unbefugte Entgegennahme gemäß § 115 Abs. 1 Nr. 1 OWiG eine vorherige Absprache zwischen dem Gefangenen und dem Anwalt voraussetzt, dass die private Post an die Adressaten weitergeleitet wird. Ohne eine solche Vereinbarung sei es dem Verteidiger nicht vorwerfbar, wenn er solche Briefe bekommt. Das Amtsgericht hatte jedoch keine solche Vereinbarung festgestellt.

Dem Bußgeldsenat des OLG Jena fehlten zudem Feststellungen darüber, wie der private Brief in die Anwaltspost geraten war – ob der Gefangene selbst die Briefe an den Verteidiger vermengt hatte oder ob es ein Versehen der Haftanstalt war. Das OLG stellte klar, dass der Tatbestand der unbefugten Entgegennahme mit der bloßen Annahme der Briefe bereits erfüllt sei, unabhängig davon, ob der Verteidiger die Briefe weiterleitet, in der Kanzlei belässt oder der Postkontrolle zuleitet. Das Nachtatverhalten sei irrelevant.

Das OLG sah in der Weiterleitung des Briefs an die Ehefrau einen Beitrag zur Umgehung der Postkontrolle, aber keine Ordnungswidrigkeit, da die Übermittlung des Briefs an einen Dritten nicht strafbewehrt ist. Trotzdem sprach das OLG den Verteidiger nicht frei, sondern verwies die Sache zurück an das Amtsgericht. Das Amtsgericht müsse klären, ob es eine systematische Absprache zur Umgehung der Postkontrolle gegeben habe, da die Ehefrau mehrere Briefe erhielt, die die Kontrolle nicht durchlaufen hatten.

Meinung und Schluss

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Jena zeigt jedem Verteidiger, dass er klare Ansagen dem Mandanten in Haft machen muss. Die Weiterleitung eines sogenannten Kassibers sollte ein Verteidiger tunlichst vermeiden. Er weiß zudem auch nicht, was drin steht. Darin könnten auch Drohungen und ähnliches sein.

Hinsichtlich des Vorwurfes des bewussten Handelns eines Verteidigers in solchem Fall betonte das OLG, dass ohne eine vorherige Absprache eben keine strafbare Handlung vorliege. Das Urteil verdeutlicht zudem die Notwendigkeit einer genauen Prüfung durch die Gerichte, bevor Sanktionen gegen Anwälte verhängt werden. Viel zu schnell wurde hier wieder geurteilt. Ja, einen Anwalt vor der Flinte zu haben, befriedigt so manche Begierde eines Richters, der die Aufteilung der Organe der Rechtspflege nicht verstanden hat. Manchmal sind diese Art von Richter auch vom Futterneid getrieben. Hier gab es zunächst einen Dämpfer!

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