Ein Polizeibeamter macht sich wegen besonders schwerer Nötigung strafbar, wenn er bei einem Abschiebe-Einsatz ohne rechtfertigenden Anlass körperliche Gewalt anwendet, einen bereits fixierten Mann weiter niederdrückt und ihn beleidigt. Eine Freiheitsstrafe auf Bewährung ist zulässig, wenn die Tat zwar gravierend ist, aber entlastende Umstände vorliegen (AG Gifhorn, Urteil vom 09.12.2025 (rechtskräftig).
Ein Abschiebe-Einsatz, der zur Eskalation wird; ein Beamter, der die Beherrschung verliert; Kollegen, die den Vorfall melden: Der Fall aus Gifhorn zeigt, wie dünn die Linie zwischen staatlichem Zwang und strafbarer Gewalt sein kann. Das Amtsgericht Gifhorn hat nun ein Urteil gesprochen – und dabei sowohl die Unrechtsschwere als auch entlastende Aspekte gewürdigt.
Sachverhalt
Im Februar 2025 war ein 41-jähriger Polizeibeamter in Gifhorn an einer Abschiebung beteiligt. Der betroffene Asylbewerber war bereits von anderen Beamten gestellt worden, als der Angeklagte eingriff: Er brachte den Mann zu Boden, fixierte ihn mit dem Knie im Schulterbereich und hielt ihn nach Zeugenaussagen bis zu zwei Minuten lang nieder. Der Festgehaltene klagte über Atemnot.
Der Beamte soll dem Mann Schnee ins Gesicht gedrückt und dabei „Friss das“ gesagt haben. Zudem hätten Zeugen die Beleidigungen „scheiß Ausländer“ und „Pack“ bestätigt. Der Angeklagte bestritt die rassistischen Äußerungen, doch das Gericht folgte den Aussagen der Kollegen. Als der Mann fragte, warum ausgerechnet er festgenommen werde, entgegnete der Beamte laut Verhandlung: „Die kriegen wir auch noch, erst einmal haben wir dich gekriegt, du bist das Gras und heute wird gemäht.“
Besonders belastend: Der Beamte soll versucht haben, auf den Bericht seiner Kollegen Einfluss zu nehmen, damit bestimmte Beleidigungen nicht protokolliert werden. Die Kollegen meldeten den Vorfall.
Die Entscheidung
Das Amtsgericht Gifhorn verurteilte den Beamten wegen Nötigung im besonders schweren Fall zu neun Monaten Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wurden. Zusätzlich muss er 6.000 Euro zahlen. Das Urteil ist rechtskräftig.
Das Gericht sah den Tatbestand erfüllt, weil der Beamte ohne rechtlichen Anlass körperliche Gewalt anwandte, die Fixierung unverhältnismäßig lange fortsetzte und zugleich entwürdigende Worte äußerte. Strafverschärfend wirkte der Versuch, auf den Bericht der Kollegen einzuwirken.
Strafmildernd stellte das Gericht fest, dass der Mann zuvor nie als gewalttätig oder rassistisch aufgefallen war, überwiegend geständig war und sich entschuldigt hatte. Ein Berufsverbot hielt das Gericht trotz der Schwere des Vorfalls nicht für zwingend; disziplinarrechtliche Folgen sind aber zu erwarten.
Meinung & Schluss
Polizisten treffen täglich Entscheidungen unter Stress – das ist bekannt. Aber wenn jemand als Amtsträger die Schwelle zur Demütigung überschreitet, kippt legitime Polizeigewalt in strafbare Gewalt. Ein „Friss das“ ist kein polizeiliches Einsatzmittel, und der Satz „du bist das Gras und heute wird gemäht“ gehört in maximal mittelmäßige Actionfilme, nicht in einen Behördenbericht.
Gleichwohl bleibt das Urteil ausgewogen: Es erkennt sowohl die Unrechtsschwere als auch die entlastenden Punkte. Und es zeigt, dass die Polizei nicht nur kontrolliert, sondern sich auch intern kontrolliert – denn ohne die Kollegen wäre der Vorfall wohl nie aufgeklärt worden.
Die Botschaft ist klar: Wer im Staatsdienst Gewalt ausüben darf, muss besonders verantwortungsvoll handeln. Fehler sind menschlich, aber Überschreitungen haben Konsequenzen.