Küssen verboten? – Nähe ist ein Grundrecht

Maßregelvollzug darf körperliche Nähe zwischen Mann und Frau nicht pauschal unterbinden.


Auch im Maßregelvollzug dürfen körperliche Zuwendung und Intimität nicht pauschal untersagt werden – jedenfalls nicht ohne konkrete Gefahr. Das Kammergericht hebt entsprechende Verbote jetzt auf.

KG Berlin, Beschluss vom 03.06.2025 – 5 Ws 49/25 Vollz (Beschluss wird in gesondertem Beitrag vollständig veröffentlicht)

Wer im Maßregelvollzug sitzt, verliert viele Freiheiten – aber nicht alle Grundrechte. Das Kammergericht Berlin hat nun klargestellt: Der Staat darf Zärtlichkeit und Nähe zu Partnerinnen nicht einfach generell verbieten. Auch Untergebrachte haben ein Recht auf Händchenhalten, Umarmen und Küssen – jedenfalls dann, wenn die Einrichtung keine konkreten Gefahren belegen kann.

Sachverhalt

Ein Mann ist im Maßregelvollzug untergebracht. Seit Oktober 2023 bemühte er sich darum, seine Partnerin bei Besuchen ohne Überwachung treffen zu dürfen – mit körperlichem Kontakt. Händchenhalten, Umarmen, Küssen: all das war ihm untersagt worden. Ein „Begegnungszimmer“ für intime Besuche sei im Oktober 2023 abgeschafft, so die Klinikleitung, und ohnehin untersage die Hausordnung Intimkontakte.

Der Untergebrachte wollte das nicht akzeptieren. Über seinen Anwalt (😇) beantragte er, körperliche Nähe zu seiner Partnerin bei Besuchen zu gestatten. Die Klinik lehnte ab – angeblich wegen seiner „brüchigen Regeladhärenz“. Auch die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Berlin wies den Antrag mit Beschluss ab. Nun kassierte das Kammergericht diesen Beschluss.

Entscheidung / Auswirkungen

Das Kammergericht Berlin macht in seiner Entscheidung deutlich: Nähe ist ein Grundrecht – auch im Maßregelvollzug. Zwar dürfe es Beschränkungen geben, aber nur, wenn sie gesetzlich erlaubt und im konkreten Einzelfall begründet seien. Pauschale Verbote auf Grundlage einer Hausordnung seien unzulässig.

Das Gericht verwies auf § 66 PsychKG Berlin, der Besuche grundsätzlich erlaubt, aber Beschränkungen nur bei Gefahren für Gesundheit, Sicherheit oder Ordnung zulässt. Ein allgemeines Verbot von Intimkontakten – ohne konkrete Gefahrenanalyse – sei damit nicht vereinbar.

Auch ein fehlendes „Begegnungszimmer“ sei kein Argument: Die Einrichtung müsse prüfen, ob alternative Lösungen bestehen. Das pauschale Verbot verstoße gegen die Verhältnismäßigkeit und das Persönlichkeitsrecht des Untergebrachten.

Die Strafvollstreckungskammer muss nun neu entscheiden – und zwar unter Beachtung der konkreten Umstände und des grundrechtlich geschützten Nähebedürfnisses.

Meinung und Schluss

Kuscheln und knutschen ist kein Luxus – es ist Grundrecht. Dass ein Kuss hinter Gittern zur juristischen Auseinandersetzung führt, zeigt, wie eng es im Maßregelvollzug (auch in normaler Haft) zugeht – im wörtlichen wie im rechtlichen Sinn. Das Kammergericht hat dem nun vorerst ein Ende gesetzt: Wer Nähe pauschal verbietet, handelt verfassungswidrig. Ein Schritt zu mehr Menschlichkeit – auch im Maßregelvollzug. Die Patienten (und Inhaftierten) sind und bleiben auch Menschen mit allen Bedürfnissen.

Anwalt Penneke!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert