Wenn Unwissen zur Anklage wird

Eine Marburger Studentenverbindung soll sich wegen eines „Ehrenhandels“ verantworten müssen – meint jedenfalls ein Mitglied der Partei Die Linke. Tatsächlich ging es nur um einen typischen studentischen Schlagabtausch. Wer das mit einem Duell verwechselt, hat weder die Mensur verstanden noch das Konzept von Freiheit.

Die Mensur – seit Jahrhunderten Symbol studentischer Ehre und Tradition. Ein freiwilliges Fechten, kein Kampf auf Leben und Tod.
Nun aber sorgt in Marburg dieser skurrile Vorgang für Schlagzeilen: Verbindungsstudenten hätten sich in einem „Ehrenhandel“ duelliert.

Ein Missverständnis? Ganz sicher. Aber eines, das bezeichnend ist für den Zustand unserer Diskussionskultur.

Sachverhalt

Ausgangspunkt war nicht etwa eine Mensur mit Klingen, sondern ein Briefwechsel zwischen zwei Studentenverbindungen – ein klassischer, scharf formulierter Pöbelbrief, wie er in der studentischen Tradition seit Jahrhunderten vorkommt. Ein bisschen Provokation, etwas Ironie, ein Hauch von Spott – alles im Rahmen des jahrhundertealten Verbindungsbrauchs, in dem Sprache und Rhetorik genauso Teil des Duells sind wie der Degen.

Doch ein Mitglied der Partei Die Linke sah darin die Vorstufe zur Ausführung eines „Ehrenhandels“ und erstattete Anzeige. Die Staatsanwaltschaft prüft nun, ob ein Anfangsverdacht besteht.

Zur Einordnung

Wer schon einmal einen Boxkampf verfolgt hat, kennt das:
Wenn die Kontrahenten beim Wiegen aufeinandertreffen, sich beschimpfen, anstacheln, provozieren – das nennt man „Trash Talk“.
Im studentischen Bereich ist das das Pöbeln oder Knattern – der verbale Schlagabtausch (auch) vor der Auseinandersetzung.

Das ist Teil einer Tradition, nicht des Hasses. Es gehört zum Ritual, nicht zum Verbrechen. Und wer das nicht versteht, verwechselt Kultur mit Kriminalität.

Juristische Bewertung

Von einem Ehrenhandel im Sinne alter Duell-Gesetze kann keine Rede sein. Ein solcher setzt eine tatsächliche Kampfhandlung unter Lebensgefahr voraus. Die Mensur dagegen ist ein sportlich-diszipliniertes Ritual mit festen Regeln und Einverständnis. E ine Mensur ist kein Kampf aus Hass – sie ist ein Symbol für Haltung und Freiheit. Man steht seinem Gegenüber gegenüber, Auge in Auge, mit offenem Visier. Man lernt, Schmerzen zu ertragen, sich zu beherrschen, sich zu disziplinieren. Das hat mehr mit Charakterbildung zu tun als mit Gewalt.

Auch die Rechtsprechung sieht das so: Fechten mit Einwilligung ist keine strafbare Körperverletzung (§ 228 StGB). Und ein scharfer Briefwechsel – so unhöflich er klingen mag – ist keine Vorstufe zum Ehrenhandel, sondern freie Meinungsäußerung.

Meinung & Schluss

Meine Meinung klang gewiss aus dem ganzen Beitrag schon heraus. Aber ich will noch einmal zusammenfassend mich äußern:

Wer einen Pöbelbrief für die Vorstufe zu einem Duell hält, sollte sich lieber aus der Geschichte raushalten. Ehrenhändel sind Duelle auf Leben und Tod. Eine Mensur ist eine Sache der Haltung. Und ein scharfer Brief ist genau das, was er sein soll: ein rhetorischer Schlag mit stumpfer Klinge.

Dass ausgerechnet Die Linke hier Anzeige erstattet, ist bezeichnend. Dass ausgerechnet die Nachfolgepartei der SED in all ihrer „Weltoffenheit“ meint, hier Moralwächter spielen zu müssen, ist schon absurd. Dieselbe Partei, die sonst für Vielfalt und Toleranz wirbt, zeigt, dass sie beides nur für sich selbst beansprucht.
Freiheit ja – aber nur, solange sie in ihr Weltbild passt.

Und was soll man sagen: Die Linke hat auf diesem Gebiet Erfahrung.
Meinungen aufzwingen, andere Lebensformen verurteilen, Traditionen verbieten wollen – das hat bei ihnen schon jahrzehntelange Tradition.

Wie heißt es in einem alten Studentenlied “Nein, Ihr könnt uns nicht begreifen” so schön:

Laßt uns schwärmen, laßt uns singen,
bis das Lied zu Ende geht,
|: aber redet nicht von Dingen,
die ihr einmal nicht versteht.”

Und genau das ist der Unterschied zwischen uns und jenen,
die nun lieber anzeigen (sonst auch gewalttätig Verbindungsstudenten und deren Häuser angreifen) statt verstehen.

Freiheit lässt (man) sich nicht verbieten – schon gar nicht von Ahnungslosen.

Aufgeregt Ihr Rechtsanwalt Thomas Penneke

8 Gedanken zu „Wenn Unwissen zur Anklage wird“

  1. Volle Zustimmung von mir! Sie haben es sehr schön erklärt. 🙂
    Man sollte sich erstmal richtig informieren, bevor man eine Anklage loslässt. Aber hier ging es gar nicht darum, verstehen zu wollen, sondern um Angriff auf etwas, das nicht in deren Weltbild passt. Manche haben es nicht so mit Ehre und Traditionen. Und mit Freiheit auch nicht. Stattdessen dominieren Ambivalenz, Unwissenheit und Unverständnis.

      1. Das ist der springende Punkt: sie wollen es gar nicht verstehen, weil es nicht in ihr Weltbild passt und sie keine höheren Wertvorstellungen haben.

  2. Das gab es schon bei meinem Opa in Ostpreußen 1920….der war auch in so einer Studentenbewegung während der Oberprima…nach einem Treffer mit einer stumpfen Klinge…einem sogenannten ” Schmiss ” war der Kampf entschieden..was stimmt mit den Linken nicht…die sollen sich mal um sich kümmern…Nichtsnutze…

      1. Weil sie nur ihren Lebensstil für den einzig richtigen halten und außerdem generell einen Tunnelblick haben. Und die grauen Zellen sind auch nicht auf einem höheren Niveau.

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